München – Seit letzter Woche wird beim deutschen Pay-TV-Sender Sky viel hessisch gesprochen. Grund: Norbert Vettel (59), Vater von Formel-1-Superstar Sebastian Vettel (35), hatte beim dritten freien Training in Austin einen Auftritt als Gastkommentator – und stahl allen die Show. Auf hessisch analysierte der Zimmermann aus Heppenheim die Königsklasse des Motorsports, die seinen Sohn reich, berühmt und unabhängig gemacht hat. Autos wurden bei ihm zu Apparaten, Mechaniker rollte er als hart arbeitende Working Class Heroes den roten Teppich aus, während Teamchefs und Mitglieder des gehobenen Managements ihr Fett abbekamen.
Mittlerweile ist Norbert Vettel wieder gelandet in Good Old Germany und zurück in Heppenheim. Den GP von Mexiko hat er wieder als Fan vor dem Fernseher verfolgt. Trotzdem denkt er an seinen Auftritt vor laufender Kamera: Sein Fazit: „Es hat Spaß gemacht, aber vielleicht muss man Untertitel machen. Ich hoffe, dass ich nicht so viel Käs geschwätzt habe.“
Norbert Vettel wie er leibt und lebt. Dazu gehört auch, Probleme deutlich anzusprechen. Im Angesicht des Rücktritts seines Sohnes macht er deutlich: Um den deutschen Nachwuchs ist es nicht allzu gut bestellt. Abgesehen von Mick und David Schumacher drängt sich kein junger Fahrer auf. Auch und vor allem nicht im Kart. Das drückt auch auf die Stimmung von Vettel senior, denn früher war das anders. „Damals waren 100 Kids auf der Kartbahn“, berichtet er aus der Vergangenheit mit Sohnemann Sebi. „Heute sind da vielleicht zehn oder 15 Kinder. Und selbst, wenn es jemand gibt, der sein Kind in ein Kart setzen würde; wenn die, die ersten Zahlen hören, sind die schon weg.“
Bis zu 15 Millionen Euro kostet der Weg in die Formel 1, rechnete Ralf Schumacher jüngst vor. Eine Kartsaison schlägt bereits mit 100 000 Euro zu Buche. „Wir haben mit 5000 Mark angefangen, Kart zu fahren“, vergleicht Norbert Vettel. „Und ich bin überzeugt, dass es mit Sicherheit Eltern oder Väter gibt, die sagen würden: ,Ok, jetzt verzichte ich mal auf meinen Urlaub und fange mit meinem Junior Kart an.’ Aber dazu haben sie heute gar nicht mehr die Chance.“ Noch ein Problem: Die Förderer fehlen. Vettel: „Wenn jemand da wäre, nach den jungen Kindern schauen und sie fördern würde, könnte das helfen. Aber das macht keiner mehr.“ Dabei sei ein Aufstieg in die Formel 1 nicht unrealistisch. Die Familie Vettel ist das beste Beispiel. Norbert Vettel war selbst Mechaniker bei seinem Sohn und weiß über die Königsklasse zu berichten: „Für mich kochen alle nur mit Wasser, und das ist auch nicht heißer, sondern teurer.“
Klar wird im Gespräch mit Vettel Senior: Der deutsche Motorsport hat ein Problem. „Es wäre schade, wenn wir jetzt nächstes Jahr oder in naher Zukunft keinen deutschen Fahrer mehr hätten“, legt er den Finger in die Wunde. „Denn ich sehe im Moment niemanden, der aus Deutschland in den nächsten zehn Jahre da hochkommt.“ Umso größer ist der Verlust durch Sebastian Vettels Rücktritt mit nur 35 Jahren für Formel-1-Deutschland – auch für den Herrn Papa: „Manchmal könnte man in den Stuhl beißen“, sagt er und gibt zu: „Ich kann mir eine Formel 1 ohne Seb auch noch nicht vorstellen. Wenn es nur um das Fahren geht, würde er das noch Jahre machen. Aber der Stress drumherum ist extrem.“ Norbert Vettel glaubt aber nicht, dass der viermalige Weltmeister jetzt zum Sofa-F1-Experten wird. „Zuschauen kann er nicht, glaube ich. Mal abwarten, was er macht.“
Als Co-Kommentator fällt Sebastian Vettel also definitiv aus. Norbert Vettel indes könnte sich eine Fortsetzung seiner Experten-Karriere durchaus vorstellen. „Wenn sie mir den Flug, das Hotel und den Mietwagen bezahlen, bin ich wieder dabei – für den Rest will ich nichts.“
Allein: Kann sein, dass die Macher der Formel 1 ihm mehr bieten, damit er zuhause bleibt und seine hessische Klappe hält. Denn auf Kritik stehen die Macher der Königsklasse nicht besonders. Schon gar nicht, wenn sie berechtigt ist. Fest steht aber: Bei den meisten deutschen Formel-1-Fans ist „Babba“ Vettel seit seinem Auftritt Kult geworden.
RALF BACH