Die Skispringer weichen dem Fußball aus

von Redaktion

Früh wie nie startet in Wisla der Weltcup-Winter – auf Matten

VON PATRICK REICHELT

München – Ein gutes hat die Sache ja: Den Feinschliff konnten sich die deutschen Skispringer in der Heimat holen. In Oberstdorf absolvierten Karl Geiger und Kollegen die letzten Trainingseinheiten. Im Allgäu ist von Winter zwar auch noch nichts zu sehen. Macht aber auch nichts, weil sich die Szene der Flieger zum Saisonauftakt von der kalten Jahreszeit noch unabhängig macht. An diesem Freitag nimmt in Wisla (Polen) mit der Qualifikation (16.15 Uhr, Eurosport) für die beiden Einzel-Wettbewerbe am Wochenende der Weltcup seinen Anfang. So früh wie nie und komplett im Grünen. Statt auf Schnee landen die Springer auf den, von den Sommer-Wettbewerben bekannten Matten. Für dieses Novum hatte der Weltverband sogar seine Regularien geändert.

Offiziell schuld daran ist, wie so oft, der König Fußball. Weil die Vorrunde der Weltmeisterschaft in Katar die Fernsehzeiten beherrscht, fängt man früher an denn je und legt dann bis zum wirklichen Kaltstart in Kuusamo (Finnland) Ende des Monats noch einmal eine Pause ein. Ein Schachzug, der nicht bei allen Beteiligten nur gut ankommt. Auch bei Bundestrainer Stefan Horngacher nicht. „Ich fände es besser, wenn wir uns nicht dem Fußball beugen“, sagte der Österreicher vergangene Woche bei der offiziellen Einkleidung in Herzogenaurach. Zumal die Länge der, bis Anfang April laufenden Saison für seine Athleten nicht gekannte Härten mit sich bringt.

Doch die Sache hat ja zumindest eine gute Botschaft. So ist man in der Fliegerzunft stark darum bemüht, das Mattenspringen von Wisla auch zur Reaktion auf Klimawandel und Energiekrise umzudeuten. „Es ist schon auch ein Zeichen unserer Sportart, dass es auch anders geht.“ Matten auch öfters? Warum nicht. Zumindest sieht man es als bessere Alternative als mögliche Absagen.

Sportlich gibt es gegen die Sommervariante ohnehin wenig Einwände. Die Eisspuren auf der Schanze? „Mag ich ganz gerne“, sagte Markus Eisenbichler. Die Matten? Gelten wegen ihrer Gleichmäßigkeit sogar als sicherer als so mancher Schneehang.

Doch vorerst soll die Sache ja einmalig bleiben. Was diesen Weltcupauftakt zumindest eigentümlich macht. Ja, es geht um die ersten 200 Punkte für die Saison-Wertung. Und doch kommen die beiden Springen in Polen, in der Heimat des wieder erstarkten Dawid Kubacki, eher wie ein letzter Testlauf daher.

Und ein bisschen sind sie das ja auch. Man sucht noch einmal nach Aufschlüssen, wo man steht. Das gilt auch für die Deutschen, die sich im Sommer „ein bisschen zurückgehalten haben“, wie Horngacher erklärte.

Im Falle von Eisenbichler war das eher aus der Not geboren. Der Siegsdorfer plagte sich mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen herum und hielt sich aus Sicherheitsgründen bis zur deutschen Meisterschaft kürzlich in Hinterzarten von den Wettkampfbühnen fern. Doch was er dort erlebte, stimmte den Routinier zumindest zuversichtlich – er war auf Tuchfühlung zu Champion Andreas Wellinger, (siehe rechts), der bei den wenigen Auftritten im Sommer-GP am nächsten an der Weltspitze dran gewesen war. Noch vor Karl Geiger. Der Vorflieger der letzten Jahre kämpft noch mit ein paar kleinen Fehlern in seinen Sprüngen. Doch das wird kommen. Spätestens bis zum ersten großen Highlight Vierschanzentournee will der Oberstdorfer voll da sein: „Es wird schließlich Zeit, dass endlich mal einer von uns das Ding gewinnt.“

Und dann ist da ja auch noch die Weltmeisterschaft im Tal der Schanzen von Planica in Slowenien. Jenem Ort, wo der Winter traditionell auf der Flugschanze beendet wird. Auch dort wollen die Deutschen nach den schwierigen Olympischen Spielen in Peking wieder Großes anvisieren – auch wenn man die WM-Anlagen bisher nur aus dem Training kennt.

Die Gelegenheit scheint günstig. Mit Geiger, Eisenbichler und nun Wellinger haben die Deutschen drei Athleten, die als potenzielle Siegspringer ins Rennen gehen. Dahinter kämpfen Constantin Schmid, der junge Aufsteiger Philipp Raimund und Pius Paschke, der vor dem Auftakt die interne Qualifikation gegen Stephan Leyhe gewann, um einen möglichen vierten Platz im Team.

Nicht zuletzt Horngacher sieht die seinen schon jetzt wieder zumindest wieder auf Augenhöhe zu Slowenen, Österreichern, Norwegern, Japanern oder Polen, die zuletzt die großen Trophäen unter sich ausmachten. Und das sind ja schon keine schlechten Perspektiven.

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