„Es wird krachen!“

von Redaktion

Ex-Löwe Neudecker über seine Rückkehr als Gegner, Ziele und schwierige Kommunikation

München – Premiere für Richard Neudecker, 26: Erstmals in seiner Profikarriere ergibt es sich, dass er auf den TSV 1860 trifft, bei dem er ausgebildet wurde (2010 – 16) – und für den er bis zum Sommer zwei Jahre lang das Offensivspiel ankurbelte, Tore schoss (13) und vorbereitete (16). Auch jetzt, beim 1. FC Saarbrücken, ist Neudecker Stammspieler – und freut sich auf das Wiedersehen am Sonntag auf Giesings Höhen (15 Uhr). Unser Interview mit dem Altöttinger.

Servus Richard, am Wochenende geht’s zurück in die Heimat – diesmal als Gegner der Löwen im Grünwalder Stadion. Was löst das in Ihnen aus?

Pure Vorfreude! Sechzig ist meine fußballerische Heimat. Ich freue mich darauf, alle wiederzusehen und mit ihnen zu quatschen. Ungewohnt ist, dass ich als Gegner komme – nachdem man ja bis zum Sommer an einem Strang gezogen hat. Das ist schon ein komisches Gefühl.

Der Tabellenzweite empfängt den Fünften. Ein echtes Spitzenspiel?

Ich denke schon, dass es ein hochkarätiges Spiel ist in dieser Liga. Wir haben eine gute Defensive, 1860 hat eine sehr, sehr gute Offensive. Da wird es krachen.

Spielt im Hinterkopf Ihrer Mitspieler auch noch die Aufstiegsrelegation von 2018 eine Rolle?

Das ganz große Thema ist es nicht mehr, aber der eine oder andere wird sicher mit einer Portion Extramotivation ins Spiel gehen . . .

Die Leistungen beider Teams waren allerdings schwankend zuletzt. Ist Konstanz in dieser Liga ein Ding der Unmöglichkeit?

Schwer zu sagen. Generell ist in der 3. Liga alles sehr eng beieinander – und wir würden alle woanders spielen, wenn wir diese Konstanz reinbringen würden.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie im Saarland gelandet sind?

Im Sommer hatte ich ein gutes Gespräch mit Uwe Koschinat (der Anfang Oktober von Rüdiger Ziehl abgelöst wurde/Red.). Ich habe mich wohl gefühlt mit der Taktik, wie wir spielen wollten – und mit der Verantwortung, die er mir zugesprochen hat. Am Ende dachte ich mir: Ich hab es immer gehasst, gegen die zu spielen. Dann spiele ich doch jetzt lieber mit ihnen.

Es heißt, Sie wären gerne in München geblieben.

Beide Seiten waren anfangs nicht abgeneigt, den Vertrag zu verlängern, der ja im Aufstiegsfall eh weitergelaufen wäre. Solange wir im Rennen oben dabei waren, hab ich mir gesagt: Okay, dann brauchen wir ja erst mal nicht zu reden. Am Ende hab ich mich dann zu lange nicht gemeldet. Das kreide ich mir an, das war absolut falsche Kommunikation von mir. Alles in allem waren aber beide Seiten daran beteiligt, dass es kompliziert wurde und am Ende nicht funktioniert hat.

Haben Sie sich verpokert?

Verpokert würde ich nicht sagen. Das hätte ich mich, wenn ich ein anderes Angebot genutzt hätte, um Druck zu machen. Dem war aber nicht so. Mein großes Ziel war, mit 1860 aufzusteigen und hochzugehen. Ich habe auch immer kommuniziert, dass ich mir vorstellen könnte, lange zu bleiben.

Michael Köllner argumentierte, Sie wären in keinem wichtigen Spiel „präsent“ gewesen. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?

Ich verstehe, dass er im Nachhinein irgendwie rechtfertigen musste, dass er mich hat gehen lassen. Aber wie definiert man wichtiges Spiel? Für ihn war sicher Dortmund das wichtigste Spiel – direkt nach der Trennung von Sascha Mölders und dem Co-Trainer (Oliver Beer/Red.). Wir haben das Spiel auswärts 2:0 gewonnen, ich habe zwei Assists gegeben, war mit der beste Mann auf dem Platz. Ich denke: Alles, was der Trainer sagt, formuliert er mit Bedacht. Für mich ist es daher schwierig, wenn das so dargestellt wird. Solche Aussagen können einem nachhängen.

Ist es ein Trost, dass man bei 1860 seit Ihrem Abgang einen Dreh- und Angelpunkt in der Offensive vermisst?

Ich habe nicht viele Spiele von 1860 gesehen. Daher kann ich das überhaupt nicht beurteilen. Ich habe jetzt die eine oder andere Nachricht bekommen, dass es eventuell so sein könnte, dass man mich vermisst  . . . (lächelt). Ich muss das aber so deutlich sagen: Genugtuung empfinde ich da überhaupt nicht, denn ich bin dem Verein sehr dankbar für diese zwei Jahre – und für die ganze Jugend, die ich bei 1860 verbringen durfte. Ich wünsche dem Verein nur das Beste und dass sie weiter oben dranbleiben.

Bei den Löwen-Fans stehen Sie nach wie vor hoch im Kurs. Eine Bestätigung für Ihre Leistungen?

Total! Das freut mich wirklich sehr. Auch damals die Auszeichnung als „Löwe der Saison“ – das war etwas ganz Besonderes für mich. Es hat in meinem Bauch gekribbelt und extrem weh getan, diese tollen Fans zu verlassen.

Was die Saisonziele angeht, müssen Sie sich nicht umstellen, oder? Beide Teams wollen hoch . . .

Unser großes Ziel ist, dass wir erstmals die 60-Punkte-Marke knacken, so schnell wie möglich – und dann schauen wir weiter . . .

Zurück zum Spiel am Sonntag: Auf wen freuen Sie sich am meisten?

Aus der Mannschaft habe ich den meisten Kontakt zu Marco (Hiller), zu Niki Lang, zu Deichi (Yannick Deichmann). Ich freue mich aber auch auf Fatih (Aslan), den Teammanager. Ich vermisse ihn, weil er so ein lustiger Kauz ist. Auch auf Steges freue ich mich (Zeugwart Norbert Stegmann), auf Torwarttrainer Harry Huber… Mit den meisten, auch im Staff, habe ich mich super verstanden.

Die Stimmung bei 1860 nach dem 0:1 in Bayreuth können Sie sich lebhaft ausmalen . . .

(schmunzelt) Klar, da brodelt es jetzt natürlich – und diese Chance wollen wir nutzen. Wir wollen alles raushauen und eine eventuell kleine Verunsicherung zu einer größeren Anspannung machen.

Einmal sind Sie schon zu 1860 zurückgekehrt. Wäre eine weitere Rückkehr eines Tages vorstellbar?

Absolut. Erstens ist 1860 meine fußballerische Heimat. Es wird nie so sein, dass ich die Tür da komplett schließe. Zweitens bin ich sehr überzeugt von der Nachwuchsarbeit bei 1860. Da irgendwann mitzuhelfen, wäre super. Aber jetzt bin ich erst einmal in Saarbrücken und werde alles für den FCS geben.

Interview: Uli Kellner

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