Früher waren die Wochen vor der Fußball-WM die, in denen wir in den Prospekten und Schaufenstern der Elektronikmärkte dringend dazu aufgefordert wurden, einen neuen Fernseher zu erwerben. Diesen Werbe-Vorboten des sportlichen Großereignisses des Jahres sind wir keine 14 Tage vor seinem Start noch nicht begegnet. Der Umsatz an TV-Geräten könnte dennoch steigen, denn auch Weihnachten kann ein Anlass sein für ein Zoll- und Pixel-Upgrade, und womöglich sagt mancher: Dann kaufen wir das Ding doch zur WM. Aber diese Entscheidung wird frühestens Ende kommender Woche fallen.
Vielleicht wird die WM in Katar, was ihre sportliche Wertigkeit betrifft, diesen Donnerstag greifbarer. Dann nämlich gibt es die Namen der Auserwählten – und ungeachtet aller schlimmen Themen rund um das Turnier ist die Nominierung eines Kaders die beste Hinführung zu dem, was FIFA-Präsident Gianni Infantino sich wünscht: das Spiel in den Mittelpunkt zu stellen. Wer darf mit, wer bleibt außen vor, ist unser Bundestrainer klug oder blind – darüber redet man in Deutschland halt gerne.
Der bisherige Verlauf der Bundesliga-Saison hat definitiv geholfen, diese Diskussionen anzuheizen. Es war nicht absehbar, dass mit dem Bremer Niklas Füllkrug der klassische Stoßstürmer auftauchen würde, dessen grundsätzliches Fehlen noch im Sommer beklagt wurde. Es kommt auch überraschend, dass Youssoufa Moukoko mit seinen immer noch erst 17 Jahren seine Entwicklung so vehement vorantreibt, dass Hansi Flick sich damit befassen muss, ihn jetzt schon zum A-Nationalspieler zu machen. Die Bundesliga spielt 2022/23 gar so verrückt, dass die halbe Mannschaft von Union Berlin für Deutschland gefordert wird und Eric-Maxim Choupo-Moting, über dessen bestehendes Arbeitsverhältnis in München sogar sein Chef Julian Nagelsmann überrascht schien. Am Donnerstag wird man empörte Kommentare lesen können, dass Choupo-Moting nicht im deutschen WM-Kader steht. Und erfahren, dass er für Kamerun spielt. Zu sehen dann im neuen Fernseher.
Guenter.Klein@ovb.net