München – Die Partie FC Bayern – Werder Bremen kennt niemand so gut wie Claudio Pizarro. 13 Mal stand die Bayern-Legende für Bremen, sogar 15 Mal für den Rekordmeister auf dem Platz, wenn sich die Teams duellierten. Vor dem letzten Heimspiel des Jahres 2022 spricht der 44-Jährige im Interview.
Herr Pizarro, wissen Sie, wann Bayern zuletzt gegen Bremen verloren hat?
(überlegt) 2009?
2008, 2:5 – und Sie haben ein Tor geschossen.
Ah, das war das letzte Mal? Ich erinnere mich natürlich, das Spiel ist ja in die Bremer Geschichte eingegangen. Das war für Bayern ein großes Debakel – und für uns Bremer damals ein Spektakel. Dass es seitdem nicht mehr gelungen ist, zeigt ja, dass es nicht gerade einfach ist für Werder, in München zu gewinnen.
Sie wissen, wie es geht, die Bayern zu schlagen – geben Sie Bremen Tipps?
Das würde wenig bringen. Denn ich glaube, wir waren bei allem Respekt schon ein bisschen stärker als die Bremer heute. Wobei Werder aktuell gut drauf ist. Das einzige Problem für Werder ist, dass Bayern auch gut drauf ist.
Juckt es Sie bei diesem Spiel nochmal in den Füßen – oder ist es vorbei?
Es ist vorbei! Natürlich denke ich jedes Mal bei diesem Spiel: Da wäre ich jetzt auch gerne dabei. Aber auf diesem Niveau kann ich nicht mithalten. Und wenn ich ein Spiel machen würde, bräuchte ich drei Tage Pause. Deshalb spiele ich jetzt mit den FC Bayern Legenden, das ist auch gut.
Brauchen Sie da auch drei Tage Pause?
Sagen wir: Zwei (lacht). Für einen Legenden-Spieler bin ich immer noch fit. Ich trainiere auch noch. Mein Körper sagt mir, dass ich das brauche.
Keiner kennt beide Mannschaften so wie Sie. Sind Sie die perfekte Mischung aus beiden Welten?
Das kann man so sagen. Ich habe mit beiden Teams alles durchgemacht, sogar mit Bremen Champions League gespielt. Nur mit Bayern war ich nicht in der Relegation, aber gut… das braucht man auch nicht unbedingt (lacht).
Für den Weg nach München waren damals zwei Tore gegen Bayern ausschlaggebend. 2001 im Olympiastadion trafen Sie zwei Mal, ehe die Münchner Sie kaufen wollten.
Da hat es sich doch gelohnt, die Bayern abzuschießen (lacht). Ich war schon als Kind Bayern-Fan – dann hatte ich es geschafft.
Bayern ist wieder Tabellenführer. Gut oder schlecht für Bremen?
Es ist einfach egal! Wenn sie nicht Tabellenführer wären, würden sie die Punkte unbedingt brauchen. Aber so geben sie jetzt alles, um da oben zu bleiben. Ich glaube, dass sie bis zum Ende Tabellenführer bleiben und auch wieder Meister werden. Die Saison ist noch lang, aber die Erfahrung lehrt uns ja, dass alle anderen Mannschaften, die mal oben stehen, nicht die Konstanz über 34 Spieltage haben, die Bayern hat. Das ist der große Unterschied.
Sie haben Füllkrug zuletzt als „kompletten Stürmer“ bezeichnet. Konnte er auch von Ihnen lernen?
Ich glaube schon. Wir haben einige Jahre zusammengespielt, da sah ich schon: Er ist ein guter Junge, ein guter Stürmer, hat viel Temperament. Dass er die Qualität hat, hat er früh gezeigt. Es war sein Pech, dass er so viele Verletzungen hatte. Aber jetzt hat er das unter Kontrolle – und sein Lauf freut mich richtig! Denn er hat hart gearbeitet, da raus zu kommen.
Muss er mit zur WM?
Natürlich. Er wäre eine große Hilfe für die Nationalmannschaft. Und nach dem bitteren Ausfall von Timo Werner natürlich noch interessanter.
Traut man ihm sogar zu, Torschützenkönig zu werden? Es muss ja ein Nachfolger für Robert Lewandowski gefunden werden.
Das ist offen – und ich schaue gerne bei diesem Wett-Schießen zu. Die Bayern haben ja für Lewandowski gespielt in den vergangenen Jahren, er stand immer goldrichtig. Jetzt kann es sein, dass „Fülle“ es macht. Oder Choupo-Moting – oder andere.
Erklären Sie doch mal, wie es ist, wenn man als Stürmer einen Lauf hat!
Es gibt Phasen, in denen man alles macht und der Ball einfach nicht rein geht. Und dann gibt es eben Phasen wie diese, die Füllkrug und Choupo-Moting gerade haben. Die beiden haben auch die Erfahrung, treffen im Moment aus allen Lebenslagen. Wenn du einen Lauf hast, kann der Ball irgendwie vor deine Füße geraten – und du triffst immer. Das wissen die Mitspieler aktuell auch zu nutzen.
Choupo-Moting ist einer fürs Klima in der Kabine. Ist er Ihnen da ähnlich?
Er kennt seine Rolle, weiß, dass er auch da sein muss, wenn er mal nicht spielt. Und wenn du dabei gute Laune hast, ist das wichtig für den Verein. Stimmt schon: Das war bei mir ähnlich.
Man hat in der Triple-Saison 2012/13 früh gemerkt, dass der Geist der Mannschaft stimmt. Kann man im Herbst schon spüren, wenn etwas Großes möglich ist?
Damals war es wirklich so. Wir hatten Spaß auf dem Platz, daneben, überall. Wir waren eine eingeschworene Truppe, eine sehr gute Mannschaft mit demselben Ziel. Und auch jetzt sieht es gut aus. Der eingeschlagene Weg stimmt. Man muss hoffen, dass nach der WM keine großen Verletzungen passieren. Aber alles, was ich jetzt sehe, stimmt mich sehr positiv.
Sechs Siege aus sechs Gruppenspielen sind ja schon ein gutes Zeichen.
Ein echtes Ausrufezeichen in Richtung Europa!
2013 sind Sie im Achtelfinale auf Arsenal getroffen. Ist ein schweres Los wie Paris besser als ein leichtes wie Brügge?
Das ist eine sehr gute Mannschaft. Sie sind schon lange in der Champions League dabei, sie wissen, wie es geht. Es wird nicht einfach. Aber wenn dieses Bayern-Team weiter so gut drauf ist, kann sie kaum jemand stoppen.
Ihr Wunschszenario für das Ende der Saison: Bayern im Champions-League-Finale – und Bremen international?
Das wäre das perfekte Ende!!
Interview: Hanna Raif