„Die größte Niederlage seines Lebens“

von Redaktion

FOOTBALL Mentaltrainer Matthias Herzog über die „Macherpersönlichkeit“ Tom Brady

München – Tom Brady, Quarterback der Tampa Bay Buccaneers, gilt für viele als bester Football-Spieler aller Zeiten. Am Sonntag (15:30 Uhr) trifft Brady in der Münchner Allianz Arena auf die Seattle Seahawks. Doch in dieser Saison läuft es nicht für den Superstar. Vier Siege und fünf Niederlagen, eine schwache Bilanz für Brady. Privat gab es die Trennung von Supermodel Gisele Bündchen nach 13 Jahren Ehe. Verspielt Brady alles? Warum bekommt er nicht genug vom Football? Das Interview mit Mentaltrainer Matthias Herzog.

Herr Herzog, warum weitermachen, wenn man locker aufhören könnte?

Wenn Menschen etwas lieben, vielleicht sogar noch mehr als die eigene Familie, dann fällt es enorm schwer, aufzuhören. Das dürfen wir uns so vorstellen, dass ein Teil der Persönlichkeit stirbt, dass, wofür Tom Brady steht und was ihn auszeichnet. Über die Hälfte seines Lebens ist Football Hauptbestandteil. Sein Lebenssinn ist eng damit verbunden.

Kann sportlicher Erfolg süchtig machen?

Auf jeden Fall kann Erfolg süchtig machen. Brady ist eine Macherpersönlichkeit. Die stehen auf höher. schneller, weiter. Sind oft getrieben vom Erfolg. Das ist wie ein Droge, von der wir abhängig werden. Dieses Gefühl, wertvoll zu sein, andere zu besiegen, immer wieder seine Grenzen zu erweitern. Das treibt solche Menschen an.

Solche Typen geben sich nicht mit einem Titel zufrieden.

Nico Rosberg in der Formel 1 konnte damals nach 1 Weltmeistertitel aufhören. Das war sein Ziel. Lewis Hamilton dagegen ist davon getrieben, alle Rekorde von Michael Schumacher zu brechen. Alle drei sind ähnliche Typen.

Brady ist 45 und unfassbar fit – hat er vielleicht trotzdem ein Altersproblem?

Auf jeden Fall hat Brady ein Altersproblem. Er will beweisen, das Alter nur eine Zahl ist. Dazu hat er ja auch ein Buch veröffentlicht, wo er seine Tipps teilt, wie wir auch im Alter performen können. Und wenn noch andere sagen: „Du bist zu alt. Jetzt ist deine Zeit vorbei.“ Dann treibt das einen Tom noch stärker an, es sich und allen zu beweisen, dass er es immer noch kann.

Rücktritt vom Rücktritt – wird man da unglaubwürdig?

Für viele Menschen, die sich nicht näher mit der Persönlichkeit dahinter beschäftigen, wirkt das tatsächlich unglaubwürdig. Ich bin mir aber sicher, dass Brady wirklich zurück treten wollte – für seine Familie. Er hat aber schnell gemerkt, dass ihm gefühlt ein wichtiger Bestandteil seines Herzens damit genommen wurde. Das tut weh. Es ist so, als wenn unsereins die große Liebe verliert. Im Endeffekt hat Brady eine Doppelehe geführt, eine mit Giselle Bündchen und eine mit dem Sport. Und die Liebe zum Sport ist höher – leider zum Schaden der Familie.

Was glauben Sie – wie lange spielt er noch weiter?

Seine Leistungen sind aktuell – um es aus seinem Blickwinkel zu sehen – eine Katastrophe. Es ist sichtbar, dass er den Konflikt mit seiner Frau nicht ausblenden kann. Das zeigt, dass da noch Liebe vorhanden ist. Denn jetzt wird ihm ein anderer wichtiger Teil seines Herzens genommen – seine Familie. Ich glaube nicht, dass er nach der Saison weiter machen wird. Das Problem wird nur sein, dass er nach der Saison alles verloren hat. Das dürfte die größte Niederlage seines Lebens werden.

Interview: Philipp Kessler

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