Wann Love?

Claudia mit Regenbogen

von Redaktion

VON JÖRG HEINRICH

Herrje! Das schlechte Gewissen, wenn man diese WM schaut, wird immer größer. So ein Schamgefühl beim Fernsehen hat man sonst nur, wenn Silbereisen so tut, als könnte er ein Schiff steuern. Gestern war der WM-Tag wieder eine Art Heute-Journal mit Sportteil. Beim ZDF waren sie nah dran, sich aus Protest am Stadion festzukleben. Wir haben minütlich mit Claus Sekundenkleber gerechnet. Aber auch die Telekom hat zurecht einen Politik-Talk veranstaltet.

Wie lustig war das WM-Schauen im ZDF? Weniger. Katrin Müller-Hohenstein, die jetzt im November ihre Pullis von Winterolympia auftragen kann (es hat alles seine Vorteile), sprach über die „Wann Love?“-Binde, über Doping wegen überlasteter Fußballer und über die Menschenrechte im Iran. Studiogast Katja Müller-Fahlbusch von der Hoeneßschen Lieblings-Organisation Amnesty International plädierte für „das Recht der Menschen, nicht gefoltert zu werden“ (wobei die FIFA das nicht ganz so verbissen sieht). Der Themenmix wirkte also etwas betrüblich. Aber was will man machen? Wenn England mit dem verhinderten Bindenträger Harry Kane gegen den Iran spielt, in dem sich die Menschen gegen das Mullah-Regime auflehnen, ist die englische Viererkette nicht die drängendste Frage.

Wie mutig sind die ZDF-Reporter? Sehr sogar! DFB-Berichterstatter Sven Voss zürnte über die Liebesfeinde der FIFA: „Eine Kapitänsbinde zu verbieten, die für Vielfalt und Toleranz steht, klingt in den meinen Augen absolut absurd.“ Und in unseren Ohren auch! Der Frechdachs muss aufpassen. FIFA-Führer Infantino ist bei der Eröffnung ja neben seinem Kumpel gesessen, dem Saudi-Kronprinzen Mohammed bin Salman, dem er bald auch eine WM zuschanzen wird. Wer da aufmuckt, ist schneller zerstückelt, als er denkt.

Geht’s bei der Telekom nur um Fußball? Nix da! Johannes B. Kerner hat als Polittalker nichts verlernt, seit er im letzten Jahrhundert Vorgänger von Markus Lanz war. JBK hatte beschlossen: „Wir fragen, was zu fragen ist. Und wir sagen, was zu sagen ist.“ Die kluge Tabea Kemme, bisher DIE Expertenentdeckung der WM, wetterte über das Rückgrat-Defizit des DFB: „Das ist signifikant dafür, dass Geld alle Mäuler stopft. Und das ist traurig.“ Prima, dass die Sender, die Millionen für die WM-Rechte bezahlen, so unverblümt Kritik üben.

Was hat Claudia Neumann erzählt? Die ZDF-Kommentatorin zeigte mehr Eier als die DFB-Männer und saß beim USA-Spiel mit T-Shirt und Armbinde in Regenbogen-Farben auf der Tribüne in Katar. Bravo! Inhaltlich wünscht man sich aber immer, dass Sandro Wagner neben ihr sitzen möge und das Schlimmste verhindert, wie Michelle Hunziker für Thomas Gottschalk. Der Sandro schwänzte aber. Und so erzählte Frau Neumann Sachen wie: „Wales hat sich als letztes europäisches Turnier für dieses Turnier qualifiziert.“ Ihr Rätsel des Abends über die „Amerikanerinnen“: „Das ist Tim Ware, übrigens der Sohn von John Ware.“ Intensivrecherchen haben ergeben, dass sie von Ex-Weltfußballer George Weah sprach. Weah konnte das ahnen?

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