Ar-Rayyan – Viel ist geredet worden am Montag, dem ersten richtigen WM-Spieltag, über Armbinden – doch das eindrucksvollste Zeichen war ein Schweigen: Als ihre Nationalhymne gespielt wurde, sangen die Spieler aus Iran nicht mit. „Ein Statement, stumm, aber klar für die Revolution auf den Straßen in Iran“, twitterte die TV-Nahost-Expertin Natalie Amiri.
Fans im Stadion weinten vor Anteilnahme, das Staatsfernsehen blendete sich aus der Übertragung aus. Die Haltung der Mannschaft zur Politik des Landes kann für jeden einzelnen Spieler lebensbedrohlich sein, wenn er in die Heimat zurückkehrt. Was ist dagegen die One-Love-Binde, von der die Engländer Abstand nahmen, weil sie eine Gelbe Karte fürchteten? Und wie wichtig ist das Ergebnis des Spiels vor dem Hintergrund menschlichen Leids in Iran?
Der Endstand war ein 6:2 für England, sportlich wurde die Sache schon in der ersten Halbzeit entschieden. Obwohl es schwer war, in dieses Spiel hineinzukommen. Denn nach einem Kopf-auf-Kopf-Zusammenstoß mit dem eigenen Verteidiger Majid Hosseini musste Irans Stammtormann Ali Beiranvand ausgiebig behandelt werden. Das dauerte alles in allem 14 Minuten, die nachgespielt wurden. Als Beiranvand ein zweites Mal auf den Rasen gesunken war, vollzog der portugiesische Trainer Carlos Queiroz endlich den Wechsel.
Hossein Hosseini hieß der neue Keeper, der zunächst noch Glück hatte, dass ein Kopfball von Harry Maguire an die Latte klatschte (30.), doch mit dieser noch nicht vollendeten Aktion hatten die Engländer sich gefunden. Irans Team war anfällig für alles, was von außen kam: Flanken, Ecken. Nach dem 1:0, einem ziemlich perfekten Kopfball, stand Jude Bellingham mit ausgebreiteten Euer-Erlöser-Armen vor der Fankurve (38.). Bukayo Saka ließ das 2:0 folgen (43.), ein Treffer ins Eck, Raheem Sterling legte das 3:0 nach (45.+1), volley aus dem Lauf, auch das ein schönes Tor – und Trainer Gareth Southgate, im September noch Entlassungskandidat, war die Erleichterung anzusehen. England blieb beherrschend, die weiteren Tore erzielten Saka (62.), Marcus Rashford (71.) und Jack Grealish (90.), für Iran traf zweimal Mehdi Taremi (65. und 90.+13/Foulelfmeter).
Für die „Three Lions“ ein geglückter WM-Start, „wenn man bedenkt, wie es im September bei uns aussah“, so Stürmer Collum Wilson. „Aber wir müssen aufpassen, es waren auch zwei Gegentore, es kommen stärkere Gegner“, meinte Declan Rice. Unter Irans Anhang wurde das zweite Tor bejubelt wie ein Siegtreffer. Kurz zuvor hatte Coach Queiroz den Block zu Anfeuerungen aufgefordert. Als es laut wurde, verteilte er Kusshände. Tag der Gesten.