München – Mariama Jamanka überlegt gar nicht lang. „Ja, hätte er mich doch mal gefragt“, sagt die 32-Jährige und lacht. Mit „er“ meint sie Rene Spies, den Chefcoach des deutschen Bob-Teams. Und in der Sache geht um einen Job als Assistentin des 49-Jährigen. Nach dem Karriereende mit dem BSD-Team um die Welt reisen und dem Trainer den Rücken freihalten, das hätte Jamanka sich schon vorstellen können. Allerdings heißt es für die Olympiasiegerin von Pyeongchang und Silbermedaillengewinnerin von Peking aktuell: Uni statt Eiskanal. Schreibtisch statt Bob. Klausuren statt Rennen.
„Ganz schön viel“ sei das im Moment, sagt Jamanka, aber sie hat den Zeitpunkt des Aufhörens bewusst gewählt. „Selbstbestimmt“ wollte sie ihrer Karriere ein Ende setzen, nicht erst gehen, wenn sie nicht mehr mithalten kann. Der Schlusspunkt in Peking war erfolgreich, auch wenn „die letzten beiden Jahre und die Spiele keinen Spaß gemacht haben“, sagt die 32-Jährige. Die Corona-Pandemie und all ihre Begleitumstände, dazu die Spiele in einer Autokratie: Wenn man eine reflektierte Frau ist, mitdenkt, hinterfragt, nimmt einen das eine oder andere Thema mehr mit als andere.
Als „ruhige, integere Führungspersönlichkeit“ bezeichnet Spies Jamanka, die 2013 aus dem Hammerwurf zum Bob kam und zwei Jahre später Piloten wurde. Er nennt sie auch gerne „Mama der Kompanie“, und man hört schon Wehmut mitschwingen, wenn er sagt: „Die bricht jetzt weg.“ Dem Chef ist durchaus bewusst, dass die Rollen in seinem Frauen-Team sich vor der an diesem Wochenende im kanadischen Whistler startenden Saison „neu verteilen müssen“. Olympiasiegerin Laura Nolte will den Platz von Jamanka genauso einnehmen wie die Olympiavierte Kim Kalicki und Neu-Pilotin Lisa Buckwitz, „das kann Unruhe geben“. Und dann fehlt eben Jamanka, die Spannungen stets früh erkannte. Sie sagt selbst: „Ich war die Kümmererin.“
Mehr als drei Monate sind die Bob-Teams im Winter unterwegs, natürlich gibt es da hier und da mal Reibungspunkte und Redebedarf. Auch organisatorische Dinge hat Jamanka gerne in die Hand genommen, „ich habe einfach immer versucht, dem Rene den Rücken freizuhalten“. Vor allem bei der Verteilung der besten Anschieberinnen auf die einzelnen Teams fungierte Jamanka bereitwillig als Moderatorin. „Ich habe nichts bestimmt“, stellt sie klar, „aber ich habe immer versucht, für alle die beste Lösung zu finden.“
Ab sofort – in acht Weltcups bis und bei der WM in St. Moritz – muss es ohne sie gehen. Zum Start gleich auf den anspruchsvollen Bahnen in Whistler, Park City und Lake Placid. Erfahrung in Übersee haben alle drei Pilotinnen kaum, „das wird spannend zu beobachten“, sagt Jamanka. Spies denkt schon ein wenig weiter – und prognostiziert: „Talent haben sie alle. Es wird sich auf Sicht diejenige durchsetzen, die am meisten Akribie an den Tag legt.“
Jamanka schaut sich alles von daheim an, „zum Glück gibt es einen guten Stream“. Und wer weiß? Wenn die Klausuren vorbei sind und Ende Januar WM-Medaille vergeben werden, dürfte man die Mama der Kompanie an der Bahn in St. Moritz treffen. Sicher ist: Spies würde sich freuen. HANNA RAIF