Deutschland ist eine Furniermannschaft. Gegen die Klein-Riesen aus Japan sind die Hansis am Ende zusammengeklappt wie ein schwedisches Billy-Regal. Wie schon 2018 und 2021 verraten wir in unserer traditionellen Analyse, wer im Fernsehen die ergreifendsten Grabreden gehalten hat. Wir überprüfen die Trauer-Power unter dem Motto „Heul doch, Jessy!“
Die Kassandra: Für Fehlschläge und Fiasken (ist das die Mehrzahl?) ist Jessica Wellmer die Traumbesetzung. Die exaltierte ARD-Dame erfand nach der Japan-Vermöbelung neuartige Gerätschaften und verbreitete höchst unterhaltsam Panik: „Ich will nicht an der Dramaspule drehen, aber es ist nicht viel Zeit.“ Sie hielt ihr „Plenum“, ihre Quasselbude, mit immer neuen Pessimismen in Atem. Beim Anblick der feiernden Spanier verfiel sie in eine Rekord-Depression: „Fröhliche Menschen, ja, sie sind zu beneiden.“ Im Vergleich zur Jessy war Kassandra, die olle Griechen-Unke, regelrecht Berufsoptimistin.
Der Abtörner: Thomas Hitzlsperger ist ein kluger Kopf, der viel Richtiges und Wichtiges sagt. Bei seinen Japan-Grabreden dürften sich aber viele Menschen vor den Fernsehern gefragt haben, ob das Leben insgesamt überhaupt noch Sinn hat. Der Hitzi erfand die tiefsten Tiefpunkte seit Delling und Netzer: „Wäre ich heute ein Spieler der deutschen Mannschaft, würde ich ganz schlecht schlafen, und wahrscheinlich überhaupt nicht.“ Da schaute ihn sein zuversichtlicherer Mit-Experte Sami Khedira richtig bös an. Hitzlsperger, der die WM als „Abtörner“ bezeichnete, ist bisher die Tina Abtörner vom Ersten.
Der Aufgewachte: Kuschel-Influencer Bastian Schweinsteiger gab plötzlich Gas, dass seine Neu-Frau Esther Sedlaczek über „Basti, nahe der Fassungslosigkeit“ staunte. Er forderte mehr Dezibel: „Vielleicht muss man den einen oder anderen auch mal anschreien, verbal auf dem Platz.“ Und er watschte sogar seine Bayern. Bei Passiv-Goretzka hatte er einen krassen Verdacht: „Der war enttäuscht, dass er nicht von Anfang an gespielt hat.“ Was ist bloß mit Schweini los, der sonst nie jemandem wehtun will?
Die Analytiker: Bei Magenta brauchte Johannes B. Kerner einen Satz, um die Malaise auf den Punkt zu bringen. „Wir wollten ins Endspiel, aber nicht so früh.“ Taktikhexer Jan Henkel und Tabea Kemme drehten nicht an der Wellmerschen Dramaspule, sondern analysierten die Probleme so exakt, wie es kein anderer Sender schaffte. Die clevere Kemme zeigte, warum es der deutschen Verteidigung grundsätzlich an Kommunikation fehlt. Und sie nahm – als Einzige – bei den Gegentoren auch die Offensive in die Pflicht: „Da muss Serge mit Tempo hintenrein. Da verlässt sich einer auf den anderen, und wir haben den Salat.“ Eigentlich muss der Bundeshansi nur die Analyse von der Bundestabea in der Kabine zeigen, und gegen Spanien ist alles geritzt.
Das ZDF: Gestern legte das Zweite beim Trauern nach. Jochen Breyer, Chris Kramer und Per Mertesacker alle in Grau und Schwarz. Es war eine schöne Leiche, wie man in Bestatterkreisen schwärmt. Sympathikus Kramer obduzierte perfekt, woran die Deutschen gegen Japan verstorben sind. Der Trainerschüler erzählte Zeug wie: „Unsere Struktur hat uns kein gutes Setup für einen zweiten Ball gegeben.“ Aber man hat voll kapiert, was er meinte. Wenn Brazzo clever ist, gibt er Kramer jetzt schon einen Vertrag als Nagelsmann-Nachfolger 2029.