Al Daayen – Neun Feldspieler versammelten sich um ihren Helden, sie tätschelten seinen Kopf, und alle zusammen hüpften sie eine Runde. Im Jubel über die Tore zum 2:0 (0:0)-Sieg über Serbien wurde die Erleichterung des WM-Favoriten Brasilien spürbar, den Auftakt gut überstanden zu haben. Der widerspenstige Gegner hatte das Spiel eine Halbzeit sehr kompliziert für die Künstler aus Südamerika gemacht. Ihr Erlöser: Doppeltorschütze Richarlison.
Das Lusail Stadium, das den Zusatznamen „Iconic“ trägt und mit einem Fassungsvermögen von 88 000 das mächtigste bei dieser WM ist und Schauplatz der saudi-arabischen Sensation gegen Argentinien gewesen war, wurde diesmal fast ausschließlich von brasilianischen Fans gefüllt. Gelb war die dominierende Farbe auf den hohen Rängen, serbischen Anhang gab es lediglich in einem Sektor im Unterrang. Absolute Heimspielatmosphäre für die Südamerikaner.
Aber Serbien liebt solche Partien, in denen es den Schönspielern mit Organisation. Entschlossenheit, Hingabe begegnen kann. Eine Mannschaft voller austrainierter Hünen und mit einem Torwart, Vanja Milinkovic, der wusste, dass es auf ihn ankommen würde. Dieser Typ mit kahlem Haupt, Bart und einem ausgeflippteren Tätowierer als dem von Neymar, erahnte die Laufwege von Vinicius junior, dem agilsten Brasilianer, dem er aber jedes Mal den Ball vom Fuß nahm, indem er sich ihm mit voller Körperwucht entgegenstemmte. Die serbischen Abwehrspieler blockten schon vieles weg, ließen der Selecao kaum Optionen. Und wenn diese doch zu einer gelungenen Kombination kam und Serbiens Defensive leicht geöffnet hatte wie nach einem Doppelpass zwischen Raphinha und Lucas Paqueta, endete die Szene mit einem Schüsschen (35.). Goalie Milinkovic gönnte sich einen Moment des Lächelns.
Brasilien war gleichwohl dominant – und steigerte diese Überlegenheit noch. Serbien geriet in Not, durch einen Fehlpass von Milinkovic Sekunden nach Wiederanpfiff, durch ein Foul von Gundelj gegen Neymar auf der Strafraumgrenze (49.), durch Paqueta, der einschussbereit war, ehe Pavlovic ihm noch regelgerecht in die Parade fuhr (53.). In der 60. Minute die nächste brasilianische Torannäherung: Ein Schuss von Casemiro flatterte an den Pfosten. Und in der folgenden großen Szene passierte es schließlich: Neymar ließ sein Genie aufblitzen und Serbiens Tormann konnte den Schuss von Vinicius nur abwehren – der grau gefärbte Richarlison drückte ihn über die Linie (62.). Die Serben mussten ihr Spiel verändern, aktiver werden – sie taten es, kamen zu Ecken, versuchten es da mit Lufthoheit. Doch das eröffnete Brasilien Räume – und so kam es zu einem wunderschönen 2:0 (73.): Richarlison mit einem Fallrückzieher inklusiver halber Drehung. Der Rest war befreiter Ballzauber, allerdings getrübt von Sorgen um Neymar: Nach seiner Auswechslung wurden Eisbeutel um seinen rechten Fuß gewickelt, er litt und weinte.