Knöchel der Nation

von Redaktion

Brasilien sorgt sich um Neymar, der für das Schweiz-Spiel ausfällt – mindestens

VON GÜNTER KLEIN

Doha – Diesmal ist es nicht das ganz große Drama wie 2014 mit angebrochenem Rückenwirbel und Live-Übertragung des Krankentransports via Hubschrauber. „Neymar“, stelle Brasiliens Nationaltrainer Tite klar, „wird uns bei dieser WM noch zur Verfügung stehen, da bin ich sehr optimistisch.“

Der Star selbst, der unter Tränen des Schmerzes beim 2:0-Sieg gegen Serbien ausgewechselt worden war, meldete sich am Morgen danach mit einem Instagram-Beitrag zu Wort. Er postete eine Buchseite, auf der stand: „Glauben haben.“

Donnerstagnacht war Teamarzt Rodrigo Lasmar gleich mit in die Pressekonferenz nach dem Match gekommen und übermittelte eine erste Diagnose: Trauma des rechten Knöchels nach Kontakt mit serbischem Knie. Freitagabend stand dann fest: Neymar wird für das zweite Spiel am Montag gegen die Schweiz ausfallen, mindestens. In brasilianischen Medien heißt es sogar, die Vorrunde sei sicher gelaufen.

„Ich habe“, bekannte Tite, „seine Verletzung erst gar nicht bemerkt“. Erst bei einigen Passbewegungen sei ihm dann aufgefallen, dass seine Nummer zehn sie nur mit Überwindung vollführen konnte, so Tite, der Coach, der einen Professorentitel trägt und Fußball sehr detailliert beschreiben kann. „Neymar hat elf Minuten unter Schmerzen gespielt, weil er seinem Team helfen wollte.“ Es hörte sich an, als wolle der Chef der Selecao eine neue Facette Neymars herausarbeiten, der als wehleidig gilt. Die ganze Welt machte sich schon lustig über seine simulierten Schreie und seine nicht endenden Rollen.

Doch egal wann Neymar ins Team zurückkehrt: Es ist nicht mehr in dem Maß von ihm abhängig wie bei der Heim-WM vor acht Jahren, als Neymar im Viertelfinale schwer verletzt wurde und Brasilien anschließend 1:7 gegen die Deutschen unterging. Professor Tite erfreut sich eines prall besetzten Kaders und rattert sechs, sieben Namen herunter von Spielern, die in europäischen Clubs top sind, die er aber gar nicht erst mitgenommen hat. Er hat jetzt auch Typen in seiner Mannschaft, die ihren Freund Neymar lieben, aber Vertrauen in die eigene Stärke aufbauen. Wie Richarlison, der Schütze der beiden Tore.

„Ich habe dem Trainer gesagt, dass die Bälle nur zu mir kommen müssen. Ich haue sie dann rein“, erklärte der 25-Jährige von Tottenham Hotspur. Sein 2:0, eine Art selbst aufgelegter Fallrückzieher, ist Anwärter aufs schönste Tor dieser WM. Was Einmaliges? „Habe ich schon zweimal geschossen“, sagt Richarlison, „aber jetzt war es am wichtigsten.“

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