IRAN – USA

Mehr politische Brisanz geht nicht

von Redaktion

Doha – Mehr politische Brisanz geht bei dieser Weltmeisterschaft kaum. Erstmals nach 24 Jahren steht Irans Nationalmannschaft bei einer WM wieder gegen Erzfeind USA auf dem Platz. Schon beim Turnier 1998 in Frankreich war das Spiel aufgeladen, das 2:1 in Lyon wird auch heute noch von Funktionären der Islamischen Republik als größter Erfolg der nationalen Fußball-Historie gefeiert. Inmitten der schwersten Proteste seit Jahrzehnten ist der Druck auf Irans Team Melli heute im Fokus der Weltöffentlichkeit um vieles größer. Dabei ist die sportliche Ausgangslage für den Iran aussichtsreich: Der Nationalelf reicht am Dienstag gegen die US-Auswahl schon ein Unentschieden zum Weiterkommen. Die Torschützen der WM 1998, Hamid Estili und Mehdi Mahdavikia, wurden nach dem großen Auftritt damals als Nationalhelden gefeiert. Doch heute ist alles anders. Wegen des gewaltsamen Vorgehens iranischer Sicherheitskräfte bei den Protesten haben sich viele prominente Stars vom Staat abgewandt. Mahdavikia legte sein Amt als Trainer nieder. Ali Karimi, der frühere Profi des FC Bayern, richtet seit Wochen scharfe Worte an die iranische Führung. Und Ex-Nationalspieler Voria Ghafouri wurde vergangene Woche nach Kritik verhaftet. Schon vor Ausbruch der Proteste war mit der WM-Auslosung klar: Bei den Spielen gegen politische Rivalen wie England oder die USA steht nicht nur der Fußball im Fokus. Für den iranischen Fußballverband ging es nicht um Tore und Punkte, sondern vor allem um das Abschneiden gegen den „Großen Satan“ USA. Dieses Spiel darf nicht verloren werden, hieß es aus Teheran.

Nach der beschämenden Niederlage mit 2:6 im Auftaktspiel gegen England rechneten alle Fußballexperten mit einem Debakel. Cheftrainer Queiroz und Funktionäre sollen den Spielern klargemacht haben, dass ihre Solidarität mit ihren protestierenden Landsleuten bei einer WM nichts zu suchen hat. Mit einem Sieg gegen die USA hofft auch die politische Führung in Teheran auf ein neues Nationalgefühl. Gleichzeitig birgt eine Niederlage auch die Gefahr des genauen Gegenteils. Ohnehin sind viele Iranerinnen und Iraner gespalten in der Frage, ob sie sich an einem Erfolg der Mannschaft freuen können, während Hunderte Menschen in der Heimat getötet und Tausende verhaftet wurden.

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