Doha – Als Deutschlands neuer Fanliebling Niclas Füllkrug die Muskeln spielen ließ, war Spargeltarzan Thomas Müller tief beeindruckt. „Du hast schon ein gutes Ding hier“, raunte der Platzhirsch dem Herausforderer mit Blick auf dessen strammen linken Bizeps zu, den „Fülle“ sogleich grinsend anspannte: „Sieht man das?“ Ja, schon, denn vor dem deutschen WM-Gruppenfinale gegen Costa Rica, bei dem die bösen Geister von 2018 vertrieben werden sollen (Do., 20.00 Uhr/ARD und MagentaTV), strotzt Füllkrug vor Mut, Kraft und Entschlossenheit.
Aber muss er, wie von vielen Experten gefordert, statt Müller beginnen? „Doofe Frage“, sagte Füllkrug mit Blick auf Nebenmann Müller. Der nahm die Diskussion gelassen: „Die Neun auf dem Rücken hat auf jeden Fall der Fülle.“ Deutschlands Rekordnationalspieler hat dazu eine klare Meinung. „Er ist der, der uns vorne in der Box fehlt, das habe ich schon vorher gesagt. Gegen Costa Rica müsste er eigentlich von Anfang an spielen“, sagte Lothar Matthäus der „Bild“.
Spätestens als das gut gelaunte Duo nach 37 Minuten Arm in Arm die Turnhalle neben der DFB-Trutzburg verließ, grübelte wohl auch Bundestrainer Hansi Flick über die Stürmer-Frage – es ist nicht die einzige. All die Debatten schlügen intern aber nicht auf die Stimmung, beteuerte Müller. „Was uns ein Lächeln auf die Lippen zaubert, ist, dass wir Chancen haben, ins Achtelfinale zu kommen, um der Fußballwelt dann zu zeigen, was in uns steckt.“ Nur im Erfolgsfall darf er seine Frau Lisa in die Arme schließen, die sich für die K.o.-Runde angekündigt hat. Allerdings: Die DFB-Auswahl ist auf spanische Schützenhilfe angewiesen, das weiß auch Müller. „Es gibt keinen Grund, euphorisch zu sein“, sagte der Stürmer. Füllkrug nickte zustimmend und ergänzte das Spanien-Spiel habe gezeigt, „dass wir auf höchstem Niveau gegen schwierige Gegner bestehen können“. Vorher sei er sich da „nicht so sicher“ gewesen. Wird das Unentschieden zur Initialzündung? Das hatte der Titelverteidiger 2018 nach dem Last-Minute-Sieg gegen Schweden auch gedacht – und scheiterte gegen Südkorea erstmals in der Vorrunde. „Jetzt müssen wir es halt anders machen“, sagte Müller. Es brauche vielleicht den Gedankenblitz eines Einzelnen, einen „Mario-Götze-Moment“, wie es Müller mit Blick auf den Finalhelden von 2014 nannte. „Fülle hatte schon einen kleinen Götze-Moment“, meinte der Routinier, „aber er darf sich ruhig noch einen zweiten gönnen.“ Das wäre dann auch hilfreich für die Atmosphäre in der Heimat – denn die ist laut Füllkrug durchaus ausbaufähig. „Wir freuen uns extrem, dass Aufbruchstimmung aufkommt. Die anderen Themen flachen ein bisschen ab. Der Fußball steht wieder mehr im Vordergrund“, berichtete der Mann der Stunde, ehe er die skeptische Grundhaltung der ersten WM-Tage bemängelte. Füllkrug nachdenklich: „Ich habe es jetzt das erste Mal miterlebt, dass man das Gefühl hatte, ob sich nicht der eine oder andere online sogar mehr darüber freut, wenn wir Misserfolg haben. Das fand ich sehr schade.“
Jetzt aber ist die Stimmung innerhalb des Teams bestens. „Ich glaube, dass der Spielverlauf uns in die Karten spielt, da wir ausgeglichen und nicht den Ausgleich kassiert haben. Das hat uns viel Energie gegeben“, resümierte der Spanien-Retter. Dass „Lücke“ trotz seiner starken Leistung gegen Costa Rica in der Startelf steht, scheint trotzdem noch unwahrscheinlich. Er bleibt (vorerst) wohl Edeljoker.