Schwieriges Stühlerücken bei Ferrari

von Redaktion

FORMEL 1 Teamchef Mattia Binotto geht zum Jahresende – Nachfolger könnte eine interne Lösung werden

Maranello – Traumjob Ferrari-Teamchef? Mitnichten. Nach dem Aus von Mattia Binotto erweist sich die Suche nach einem Boss des italienischen Formel-1-Traditionellrennstalls schwieriger als erwartet. Es gibt zwar potentielle Kandidaten, aber eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Ferrari-Geschäftsführer Benedetto Vigna umschreibt das Problem so: „Der Prozess, einen neuen Ferrari-Teamchef zu finden, ist angestoßen worden. Wir erwarten, diesen Prozess im kommenden Jahr abzuschließen.“

Unsere Zeitung kennt die Gedankenspiele. Erstens: Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Der Brite bekam schon Mitte 2021 eine Anfrage aus Maranello. Letztlich entschied sich Horner aber, weiter in der Formel-1-Sparte des Getränkekonzerns zu bleiben. Nur wenn seine Zukunft dort nach dem Tod von Dietrich Mateschitz nicht mehr sicher ist, würde er wechseln. Das müsste aber bis Ende des Jahres passieren und ist nicht wahrscheinlich.

Zweitens: Franz Tost, Teamchef des Red-Bull-Juniorteams Alpha Tauri. Er sagte bei der ersten Anfrage aus Maranello aber ab. Der erfahrene Manager, der schon mit fast allen Fahrergrößen der vergangenen 30 Jahre gearbeitet hat, will wie Horner erst mal seine Zukunft bei Red Bull analysieren.

Drittens: McLaren-Teamchef Andreas Seidl. Vor gut einem Jahr sagte er ab, jetzt gab es eine erneute Anfrage. Dass der Oberbayer aber seinen ambitionierten McLaren-Job aufgibt, ist kaum denkbar. Was noch gegen den ehemaligen BMW- und Porsche Topmanager spricht: Ferrari müsste eine Ablösesumme im zweistelligen Millionenbereich bezahlen.

Viertens: Noch-Alfa-Romeo-Teamchef Frédéric Vasseur. Ihn brachte Nicholas Todt, Sohn von Ex-Ferrari-Chef Jean Todt und Manager von Ferrari-Starfahrer Charles Leclerc, ins Spiel. Die Zeit Vasseurs beim ehemaligen Sauber-Rennstall scheint durch die Übernahme von Audi gezählt. Problem ist aber seine große Nähe zu Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Die beiden sind eng befreundet, teilten sich sogar schon ein Haus in Oxford.

Fünftens: Ex-Sauber Chefin Monisha Kaltenborn. Sie hatte in ihrer Zeit bei Sauber gute Kontakte zur Ferrari-Konzernleitung und beeindruckte durch ihre Führungsqualitäten. Problem: Trotz Zeiten, in denen Gleichberechtigung großgeschrieben wird, ist man in Maranello noch nicht bereit, ihre „heilige Kuh“ der Österreicherin mit indischen Wurzeln anzuvertrauen.

Allein: Die wahrscheinlichste Variante könnte eine interne Lösung werden. Das glaubt zumindest Red-Bull-Chefberater Helmut Marko. Die besten Karten könnte dabei Jonathan Giacobazzi haben. Er entstammt einer Familie, die ein berühmtes Weingut in der Nähe von Maranello betreibt. Wichtiger aber noch: Sein Vater Antonio war ein enger Vertrauter von Enzo Ferrari. Der veranlasste einen persönlichen Sponsordeal Giocabazzis mit Ferrari-Ikone Gilles Villeneuve – jenen Fahrer aus Kanada, den Enzo Ferrari liebte wie einen Sohn. Was noch für seinen Sohn Jonathan spricht: Der hat die Ferrari-Gene im Blut und kennt das Team perfekt. Er arbeitet seit fünf Jahren nicht nur als Marketingchef des Teams, sondern fungiert auch als eine Art Verbindungsfigur zwischen Team und Ferrari-Regierung.

Fest steht: Die Suche nach einem Chef des Teams wird aber noch bis Ende diesen Jahres weitergehen. Sie wird speziell in Italien mit Spannung verfolgt.   RALF BACH

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