Am 3. Dezember 2020, als Juventus Turin in der Gruppenphase der Champions League mit 3:0 gegen Dynamo Kiew gewonnen hatte, wurde über die Leistung der Unparteiischen nicht gesprochen. Aber genau das war für Stéphanie Frappart das größte Kompliment, das sie kriegen konnte. Die Französin, die als erste Frau eine Partie der Königsklasse leiten durfte, hatte ihre Sache so gut gemacht, dass sie nicht der Rede wert war. Damals meldete sich auch ein Mann zu Wort, den Frappart heute, wenn sie das Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Costa Rica pfeift, wieder treffen wird. Ilkay Gündogan twitterte: „Es wurde Zeit.“
Die Worte des 32-Jährigen darf man heute gerne wieder verwenden – und zwar sowohl mit Blick auf die 21 WMs, die bisher ohne weibliche Beteiligung vonstattengingen, als auch auf jene, die da gerade in Katar läuft. Lange – zu lange! – hat die FIFA gewartet, ehe sie ihre beste Schiedsrichterin auf die WM-Bühne treten ließ; 28 von 33 männlichen Kollegen waren schon im Einsatz, teilweise doppelt, ehe es zur historischen Ansetzung kam. Der Weltverband – vor Turnierstart gefeiert für die Nominierung der drei weiblichen Referees – hat damit auch selbst dazu beigetragen, dass die Diskussion um Frappart und ihre Kolleginnen überhaupt ins Rollen kam. Tag für Tag ging das „Warten der Schiedsrichterinnen“ weiter, immer weiter. Stimmen, wie jene des ehemaligen Spitzenschiedsrichters Urs Meier („zu schwach“) taten ihr Übriges, um das Thema, das eigentlich eines der nicht allzu vielen schönen dieser WM sein sollte, zum nächsten missglückten PR-Coup der FIFA werden zu lassen.
Immerhin hat man hier, am vorletzten Gruppen-Spieltag, die Kurve gekriegt. Und es wäre nur gut, wenn man den Auftritt von Frappart und ihren zwei Assistentinnen nun auch so bewertet, wie er gedacht ist. Ja, die Nominierung ist ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit. Aber heute Abend im Ahmed-bin-Ali-Stadion geht es nicht darum, wie die Spieler die 38-Jährige behandeln, ob jemand sie umarmt wie einst Pep Guardiola Bibiana Steinhaus. Sondern darum, dass sie das Spiel gut leitet. Das kann sie nämlich! Genau wie ihre männlichen Kollegen auch Fehler machen können. Es wird Zeit – für Normalität.