„Jamal macht noch seine Tore“

von Redaktion

Bayern-Präsident Hainer über Musialas Wut, das Spiel gegen Costa Rica und Krieger mit Herz

München – An der Säbener Straße ist derzeit nicht allzu viel los, der Blick geht nach Katar. Auch Präsident Herbert Hainer (68) verfolgt die 16 Bayern bei der WM – und glaubt an die Deutschen.

Herr Hainer, die Hälfte der WM ist rum – wie viele Spiele haben Sie gesehen? Wer hat Sie beeindruckt?

Ich habe jetzt keine Liste geführt, und manche Spiele schaue ich nur zur Hälfte, weil ich ja nebenbei auch noch zu tun habe – aber am meisten beeindruckt haben mich letztlich die Deutschen gegen Spanien: Die ganze Welt hatte das Team schon abgeschrieben, und dann haben sie gegen eine Weltklasse-Mannschaft sehr gut gespielt. Nach 15 Minuten, als allen voran Joshua Kimmich und Leon Goretzka losgelegt und gezeigt haben, dass sie auch wissen, wie das Spiel geht, waren wir ein ebenbürtiger Gegner. Das war ein gutes, spannendes Fußballspiel.

Schaut man als FC Bayern auch mit einem bangen Auge nach Katar – immerhin hat der Verein mit 16 Spielern die meisten abgestellt und in Lucas Hernandez schon einen Langzeit-Verletzten zu beklagen?

In erster Linie freue ich mich für die Spieler, weil eine WM – das sagen ja selbst die, die schon ein paar Mal dabei waren – immer etwas Großartiges ist. Aber ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass ich jedes Mal auch erleichtert bin, wenn es abends nach dem letzten Spiel keine Verletzungsmeldungen mehr gibt. Es ging ja los mit Leroy Sané, dann hat es Lucas Hernandez leider schwer erwischt, dann war Noussair Mazraoui angeschlagen, zum Glück nicht so schlimm. Grundsätzlich spricht es für die Arbeit des FC Bayern, dass wir bei dieser WM so viele Spieler stellen. Das zeigt, was wir für eine Qualität in den eigenen Reihen haben, und auch, dass wir als Verein in der Lage sind, diese Qualität nach München zu holen. Es wurde uns ja vor einiger Zeit auch schon mal nachgesagt, dass wir mit den großen Clubs nicht mehr mithalten können. Da spricht diese WM-Statistik mit 16 Abstellungen eine andere Sprache.

Haben Sie sich beim Japan-Spiel an die Bayern im Frühherbst erinnert gefühlt? Zitat Hainer: „Wir haben das Tor einfach nicht getroffen.“

Das kann man sicher ein Stück weit vergleichen. In den Spielen, die wir im Herbst nicht gewonnen haben, haben wir in der Regel auch gut gespielt. Wir haben einfach den Sack nicht zugemacht. So war es bei der Nationalmannschaft auch. Durch Serge Gnabry oder Ilkay Gündogan gab es beispielsweise gute Chancen auf das 2:0, dann aber waren sie zu unachtsam, das haben die Japaner gnadenlos genutzt.

Was kann die DFB-Elf also nun von den Bayern in der „Mini-Krise“ lernen?

Vielleicht hat sich der eine oder andere Bayern-Spieler zurückerinnert: So haben wir es bei Bayern geschafft, den Schalter umzulegen – und man hat gesehen, wie sie es gegen Spanien gemacht haben.

Dann wäre die Marschrichtung also jetzt Finale – denn auch die Bayern haben nach der Mini-Krise nur noch gewonnen…

Ich gehe davon aus, dass wir jetzt gegen Costa Rica jedenfalls eine deutsche Mannschaft sehen, die sich deutlich an der Leistung des Spanien-Spiels orientiert. Denn diese nahende Klippe, dass man wie 2018 in der Vorrunde ausscheidet, hat wohl alle noch einmal angetrieben. Und die Qualität für die K.o.-Runde ist natürlich auch da. Wenn sie die Leistung aus dem Spiel gegen Spanien konservieren und ausbauen, kann es weit gehen.

Hansi Flick sagte, gegen Costa Rica brauche man „Krieger mit Herz“ – sind Leon Goretzka und Joshua Kimmich da die Richtigen?

Wenn ich mich an die Situation erinnere, in der Leon einen Spanier wie ein Basketballspieler im Sechzehner wegblockt: das ist ein Krieger mit Herz! Gerade Spieler wie Leon und Joshua gehen mit gutem Beispiel voran, und genauso sind natürlich auch Routiniers wie Manuel Neuer und Thomas Müller stets verlässliche Stützen. Das Japan-Spiel war generell ein Aufrüttel-Spiel für die ganze Mannschaft. Sie weiß jetzt, dass es nicht im Schongang geht.

Wie viel Hoffnung macht die Rückkehr von Sané?

Leroy ist ein Tänzer, wunderbar leichtfüßig: Das hat man am Sonntag wieder gesehen, als er reingekommen ist. Mit seiner Spielfreude, seiner Schnelligkeit, seiner Technik, wie er Situationen kreieren kann, das ist ein echter Gewinn für jedes Team.

Und die Wut von Jamal Musiala nach der vergebenen Großchance kriegt Costa Rica ab?

Ich bin überzeugt: Jamal macht bei dieser WM noch seine Tore! Und selbst ohne eigene Treffer ist er ja die pure Freude für jeden Fußball-Fan. Wie er gegen Japan einmal fünf Leute stehen gelassen hat und gegen Spanien wunderbare Aktionen hatte: Man sieht auch bei dieser WM, welche außergewöhnliche Qualität dieser junge Kerl hat. Mir gefällt außerdem seine Herangehensweise, dass er sagt: „Hey, ich will mal der beste Spieler der Welt werden!“ Das ist gelebtes Mia san Mia, mit seinen 19 Jahren, das hat er hier bei uns schnell aufgenommen. Im vergangenen Jahr wurde er noch als scheues Bambi betitelt – das ist vorbei. Jamal bringt Temperament in jedes Spiel. Er hat einen klaren Anspruch an sich selber, was er fußballerisch erreichen will. Und vom Können her ist er eines der größten Talente der Welt.

Noch ein paar Tore – und sein Marktwert steigt auf 250 Millionen Euro?

Das ist für uns sekundär. Wir geben ihn sowieso nicht her. Er will der Beste der Welt werden, und wir beim FC Bayern werden ihn auf diesem Weg unterstützen und begleiten. Gemeinsam können wir Großes erreichen.

Interview: Hanna Raif und Philipp Kessler

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