Ar-Rayyan – Die englischen Fans sangen „Jingle Bells“ und träumten schon von einer vorzeitigen Bescherung, doch Marcus Rashford war überhaupt nicht in Feierstimmung. „Leider habe ich vor ein paar Tagen einen Freund verloren“, berichtete der Doppeltorschütze nach dem 3:0 gegen Wales, „er hatte einen ziemlich langen Kampf gegen den Krebs.“
Nach seinem spektakulären Freistoßtor war Englands Matchwinner auf die Knie gefallen, hatte mit den Fingern nach oben gezeigt und gen Himmel geblickt. Dem verstorbenen „großen Unterstützer und guten Freund“ widmete der 25-Jährige auch den 100. WM-Treffer für England, den er später nachgelegt hatte.
Bei aller Trauer konnte Rashford, der mit den Three Lions im Achtelfinale am Sonntag auf Senegal trifft, am späten Dienstagabend aber auch endlich wieder lachen.
Nach schwierigen Zeiten mit Verletzungen, Formkrisen, rassistischen Anfeindungen und unterschwelliger Kritik an seinem sozialen Engagement ist der Tempodribbler von Manchester United, in der Vorsaison unter Ralf Rangnick noch häufig zweite Wahl, wieder „Magic Marcus“: Erstmals seit über zwei Jahren in Englands Startelf bei einem Pflichtspiel zurückgekehrt, brillierte Rashford nicht nur wegen seiner WM-Tore zwei und drei, sondern auch wie in besten Tagen als trickreicher Flügelflitzer, der mit Phil Foden vom Lokalrivalen City auf der anderen Seite die walisische Abwehr aushebelte.
Englands Boulevardblätter, die ihn vor nicht allzu langer Zeit noch harsch kritisiert hatten, überboten sich danach in witzigen Wortspielen, um den auch von Nationalcoach Gareth Southgate lange Verschmähten zu feiern – von „Rash Hour“ („Daily Express“) über „Bish Rash Bosh“ („Daily Mirror“) als leicht veränderte englische Version von „ruckzuck“ bis zu „Rash Bang Wallop“ in Anspielung an das englische Pendant des Comic-Ausrufs „krach, bumm, bäng“.
Southgate, der Rashford seit dessen verschossenem Elfmeter im verlorenen EM-Finale und den anschließenden rassistischen Beleidigungen in den Sozialen Netzwerken nicht mehr berücksichtigt hatte, lobte ihn nun: „Es ist großartig für ihn, er hat wirklich gut trainiert.“
Bereits zum WM-Auftakt hatte Rashford kurz nach seiner Einwechslung beim 6:2 gegen Iran getroffen, beim 0:0 gegen die USA durfte er erst spät aufs Feld. Jetzt will Rashford, seit Sommer unter dem neuen United-Teammanager Erik ten Hag mit deutlich ansteigender Formkurve, in der ersten Elf bleiben. „Ich habe riesige Ambitionen mit diesem Team“, bekräftigte er.