Doha – Ein großes Finale in Vorrunden-Gruppe D, hätte man nie so erwartet. Im Drehbuch der Logik stand: Frankreich schlägt, obwohl schon qualifiziert, anstandshalber Tunesien, und wird von Dänemark, das Australien keine Chance lässt, ins Achtelfinale begleitet. Die Realität jedoch war: Frankreich verlor gegen die Nordafrikaner 0:1 und muss sich den Vorwürfen stellen, zur Integrität des Wettbewerbs keinen Beitrag geleistet zu haben. Gruppenzweiter wurden die Aussies, die die sich ihrer Sache zu sicheren Dänen mit einem 1:0 überraschten. Dank Australien blieb Frankreich die ganz große Moraldebatte erspart.
Didier Deschamps hatte bei seinen „Les Bleus“ die Zweitbesetzung spielen lassen. „Dazu hatten wir heute die Chance“, rechtfertigte er sich. Mit sechs Punkten auf dem Konto veränderte er seine Elf auf neun Positionen, es durfte so auch der Münchner Kingsley Coman ran. Seine Offensiv-Prominenz Mbappé und Griezmann oder den Mittelfeld-Gestalter Rabiot brachte Deschamps erst im Verlauf der zweiten Hälfte – als die Equipe tricolore in Rückstand geraten war.
Tunesiens Wahbi Khazry (spielt in der französischen Liga für Montpellier) wurstelte sich mit einem im Mittelfeld begonnenen Solo durch (58.). Vier Minuten später im Parallelspiel hatte Matthew Leckie seine Sternsekunden. Der frühere Deutschland-Profi (FSV Frankfurt, Hertha BSC, FC Ingolstadt) spielte bei einem australischen Konter zwei dänischen Abwehrleute und Torwart Kaspar Schmeichel her wie auf dem Bolzplatz – flach schlug der Ball im langen Eck zum 1:0 ein. Down Under war obenauf – und Dänemark down. Trainer Kasper Hjulmand senkte sein Haupt: „Ich habe keine Erklärung, warum das Selbstvertrauen meiner Spieler weg war. Die ersten Halbchancen wurden versiebt, ein Schuss aus unpassendem Winkel von Kapitän Christian Eriksen gegen Ende der ersten Halbzeit war Signal aufkommender Verzweiflung.
Den ehemaligen Mainzer Coach, sonst ein Meister der Gelassenheit, trafen die Ereignisse mit voller Wucht. „Man muss in drei Spielen in weniger als zwei Wochen da sein – nach Vorbereitung von vier Jahren. Das ist meine Verantwortung.“ Die Tunesier waren in ihren Gefühlen hin- und hergerissen. Einerseits der Prestigesieg gegen Frankreich, doch eben auch das WM-Aus. Vier Minuten, bis zu Australiens Treffer im Parallelspiel, waren die Nordafrikaner virtuell weiter. Ihr Torschütze Khazri sagte: „Am Ende haben wir zur Anzeigetafel geblickt, ob Dänemark noch ein Tor macht.“ Tunesiens Trainer Jalel Kadri meinte: „Im ganzen Turnier hatten wir eine schwache Halbzeit. Gegen Australien.“
Da blieben beim 0:1 die Punkte liegen. Die mitreißendste Geschichte in Gruppe D schrieben am Ende die Australier. Videos von Feiern in der Heimat gingen sofort viral. Trainer Graham Arnold: „Ich bin glücklich, dass wir den Leuten ein Lächeln aufs Gesicht zaubern können.“ GÜNTER KLEIN