Doha – Sogar Lionel Messi hat plötzlich Respekt vor den wilden Socceroos. Australien ein leichter Gegner? Da schüttelte der sechsmalige Weltfußballer nur mit dem Kopf. „Jeder kann hier gegen jeden gewinnen. Das haben wir schon am eigenen Leib zu spüren bekommen“, sagte Messi nach dem Einzug ins Achtelfinale und erinnerte an die peinliche Pleite gegen Saudi-Arabien zum WM-Auftakt.
Einmal erst hat Messi in seinem Leben gegen den Underdog von Down Under gespielt, 2007 war das, Argentinien gewann glanzlos 1:0. Nun steht die Nummer 38 der FIFA-Weltrangliste mit ihrem unverhofften Helden Mathew Leckie dem großen Messi beim Griff nach dem so ersehnten ersten WM-Titel im Weg. „Jetzt beginnt die WM erst richtig“, sagte Messi vor dem K.o.-Spiel am Samstag (20.00 Uhr MEZ).
Das gilt auch für Australien. Erst zum zweiten Mal in der WM-Geschichte steht das Land, in dem Fußball hinter Cricket, Australian Football und Rugby maximal die vierte Geige spielt, in einem Achtelfinale. 2006 hatte es dort in Kaiserslautern ein ganz bitteres 0:1 gegen Italien durch einen höchst umstrittenen Elfmeter in der Nachspielzeit gegeben.
Nun soll es eine Runde weiter gehen – mindestens. „Leicester City hat vor ein paar Jahren die Premier League gewonnen. Kroatien stand 2018 im Finale. Wir spielen am Samstag Elf gegen Elf, im Fußball ist alles möglich“, sagte Abwehrspieler Milos Degenek – und klang fast wie Messi.
Daheim in Australien ist derweil die Hölle los. Mitten in der Nacht bejubelten Tausende Fans auf dem Federation Square, einem großen Platz in Melbourne, den Erfolg gegen Dänemark. Premierminister Anthony Albanese hat für den Fall des Titelgewinns bei der WM einen zusätzlichen Feiertag in Aussicht gestellt. Ob ernst gemeint oder nicht, fest steht: Die Nation fiebert mit.
„Können die Socceroos die WM gewinnen? Natürlich klingt das lächerlich. Aber warum soll man die Frage nicht laut aussprechen, nur um zu hören, wie das klingt?“, schrieb der „Sydney Morning Herald“. Für den australischen „Daily Telegraph“ würden die Socceroos nach einem Sieg gegen Argentinien sogar „auf einer Stufe mit Ian Thorpe und Cathy Freeman“ stehen.
Der Trumpf ist der gewaltige Teamgeist. Den Spirit der Socceroos kann man vielleicht am besten ermessen, wenn man über Martin Boyle spricht. Der Stürmer vom schottischen Club Hibernian FC war kurz vor dem WM-Start wegen einer schweren Knieverletzung aus dem Kader gerutscht – und ist doch weiter fester Bestandteil des Teams. Der 29-Jährige ließ sich in Katar operieren und verfolgt die Spiele der Kollegen auf Krücken live im Stadion. Während des Turniers teilt er sich eine Unterkunft mit Mathew Leckie, der den Krankenpfleger gibt. Wenn er morgens aufwache, mache Leckie das Licht an und bringe ihm Kaffee, berichtete Boyle dieser Tage. Notfalls helfe er ihm auch in die Dusche.
Auch das ist eine Seite des Mannes, der mit seinem Tor gegen Dänemark den Weg ebnete. 31 Jahre alt ist der Angreifer inzwischen, zehn Jahre spielte er in Deutschland bei Gladbach, dem FSV Frankfurt, Ingolstadt und Hertha BSC ehe es ihn wieder in die Heimat, zu Melbourne City, verschlug. Der internationale Durchbruch gelang nie, doch nun steht er doch vor dem Höhepunkt seiner Karriere. „Man muss einfach hart arbeiten“, sagte Leckie: „Das hat mich meine ganze Karriere ausgezeichnet.“
Spätestens seit dem Coup gegen Dänemark ist sogar Superstar Lionel Messi vor ihm gewarnt. sid/dpa