„Ich komme jeden Tag an meine Grenzen“

von Redaktion

Regenwald, Wüste, Gebirge: Savas Coban läuft 5000 Kilometer durch Peru

München – Einmal quer durch das Land der Inkas. Das hat sich Savas Coban (29) vorgenommen. Der Extremsportler aus Hamburg will über drei Monate lang jeden Tag einen Ultramarathon durch alle Klimazonen Perus laufen. Insgesamt zwischen 4000 bis 5000 Kilometer, nur mit dem Nötigsten bepackt und ohne Begleitung. Wüste, Regenwald – und dann sollen auch noch die Anden mit den höchsten Bergen Perus bezwungen werden. Wir erreichen den Personal Trainer früh morgens, kurz vor seinem nächsten Lauf durch die Hitze.

Savas Coban, wie sind Sie zum Extremsportler geworden?

Sport war immer der wichtigste Teil in meinem Leben. Ein Ventil in schweren Zeiten. Den Extremsport habe ich erst spät entdeckt. Ich bin mit dem Fahrrad von Hamburg nach Sevilla gefahren, recht spontan. Ich hatte die verrückte Idee und bin sechs Tage später einfach losgeradelt. Diese Reise hat so viel Spaß gemacht. Ich habe gemerkt, dass ich dabei an meine Grenzen gehen kann. Keiner kann mich bremsen.

Wie ist die Idee entstanden, durch Peru zu laufen?

Bis jetzt war ich immer nur in Europa. Ich habe mir die Weltkarte angesehen und wollte an einen spannenden Ort. Peru ist so vielfältig. Die letzten zwei Wochen bin ich durch die Wüste gelaufen, es kommt noch Gebirge mit über 5000 Meter hohen Bergen und der Regenwald – die perfekte Herausforderung.

Sie sind nun schon zwei Wochen unterwegs. Ihre ersten Eindrücke?

In Peru läufst du von einem Ort zum anderen. Dazwischen findest du 60, 70 Kilometer gar nichts. Keine Tankstelle, keine Restaurant. Ich habe kein Team hinter mir, bin ganz alleine. Alle Sachen, die ich brauche, schleppe ich in einem Laufrucksack mit mir. Ich laufe um sechs Uhr morgens los und bin dann meist zwölf, 13 Stunden unterwegs. Das können auch mal 80 Kilometer an einem Tag sein. Oft komme ich irgendwo im Nirgendwo an. Ich habe schon mit hungrigem Magen und dehydriert in der Wüste geschlafen. Am Tag verbrenne ich 6000 Kalorien, ich habe schon mehrere Kilo abgenommen.

Das dürften nicht die einzigen Probleme sein.

Man muss hier extrem vorsichtig mit dem Wasser sein. Ich habe nur meine Zähne geputzt und sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Ich hatte dann Magen-Darm, habe mich richtig schlecht gefühlt. Trotzdem bin ich an dem Tag nachmittags noch gelaufen. Meine Schuhe sind schon komplett durch. Es ist so, als würde ich barfuß laufen. Ich habe eine offene Wunde, die regelmäßig gereinigt werden muss. Ich muss jetzt aber erst mal einen Laden finden, in dem ich Sportschuhe kaufen kann … Das ist in den kleinen Orten gar nicht so einfach. Ich habe auch schon zahlreiche Verbrennungen an der Haut. Aber das stoppt mich nicht. Ich ziehe meine Mission durch.

Wie reagieren die Menschen in Peru auf Sie?

In den kleinen Dörfern gibt es Einwohner, die waren noch nie woanders, haben noch nie etwas anderes gesehen. Wenn ich mit ihnen spreche, verstehen sie nicht ganz, was ich hier gerade mache. Sie fragen mich immer, wo mein Fahrrad ist. Eine Dame hat mich gefragt: Was kannst du hier gewinnen? Ich habe nach zwei Wochen wieder mal gemerkt, wie unglaublich privilegiert wir leben. Hier gibt es viel Armut, Toilettenpapier ist ein Luxusgut. Es ist eine trockene Region, du kannst die Toiletten nicht mit Wasser abspülen. Ich ernähre mich vegetarisch, da schauen einen die Leute immer komisch an. Erst gestern wurde ich aus einem Restaurant geschickt, weil sie keine Gerichte ohne Fleisch zubereiten wollten. Mittlerweile sehe ich auch nicht mehr so ganz frisch aus. Die Schuhe sind dreckig, ich stinke auch manchmal. Die Leute verwechseln mich da schnell mal mit einem Obdachlosen. Wenn ich in ein Restaurant gehe, fragen sie mich, ob ich auch wirklich Geld dabei habe.

Woran denken Sie während Ihrer Läufe?

Ich bin ein richtiger Tagträumer. Jeden Tag muss ich an meine Grenzen gehen, jeden Tag kämpfen. Ich stelle mir bildlich vor, wie ich wieder am Plaza de Armas in Lima ankomme. Da bekomme ich immer Gänsehaut. Und da ich dauerhaft hungrig bin, habe ich jetzt schon eine Liste im Kopf, was ich mir kaufen werde, wenn ich wieder in einem deutschen Supermarkt bin – deutsches Brot, Kellogg´s, vegetarische Gummibärchen.

Auf Sie warten aber erst mal noch der Regenwald und die Anden.

Ich wurde schon vor den Mosquitos gewarnt. Dann noch die giftigen Schlangen. Vom Jaguar will ich erst gar nicht sprechen (lacht). Zudem ist die Luftfeuchtigkeit sehr hoch, das erschwert das Laufen noch mal. Der Dschungel ist so dünn besiedelt. Komme ich immer an Essen und Wasser? Im Gebirge muss ich mich dann schnell akklimatisieren, schauen, dass ich nicht unterkühle und immer trocken bleibe. Das werden extreme Bedingungen. Aber ich habe mir das ja auch bewusst so ausgesucht.

Interview: Nico-Marius Schmitz

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