Doha – Die Fußballwelt war völlig aus den Fugen und nicht nur Deutschland ein Depp, sondern auch Spanien. Für die Flüchtigkeit von drei Minuten – zwischen 2:1 für Costa Rica und deutschem Ausgleich – war Spanien virtuell ausgeschieden.
„Ja, ist das so gewesen?“, reagierte Trainer Luis Enrique fast eine Stunde nach Abpfiff seines eigenen Spiels entgeistert auf diese Nachricht. Dass die Situation sich so sehr zuspitzte, wollte er nicht mitbekommen haben – trotz Einblendung der Blitztabelle auf den Videowänden im Stadion. „Ich hätte einen Herzinfarkt bekommen, wenn ich davon erfahren hätte. Ich habe es nicht gewusst, ich bin da total ehrlich. Ich war zu sehr mit unserem Spiel beschäftigt.“
Der Super-GAU ist nicht eingetreten, eine Peinlichkeit ist das 1:2 gegen Japan dennoch. „Wir sind für zehn Minuten kollabiert und hätten noch zwei Gegentore bekommen können“, gestand Enrique ein. Er habe seine Spieler in der Halbzeitpause noch eindringlich gewarnt: „Seid vorsichtig. Die Japaner haben nichts zu verlieren, sie werden hoch verteidigen.“ Spanien, das mit einem 7:0 gegen Costa Rica ins Turnier einstieg, zeigt eine unerwartete Schwachstelle: „Wir haben zwar die Kontrolle – aber wenn der Gegner zu zocken beginnt, bekommen wir Probleme.“ Das erwartet Enrique auch für den Fall, dass man im Achtelfinale gegen Marokko in Führung gehen sollte.
Als Gruppenzweiter hat Spanien vielleicht den leichteren Weg. Über die Option, elegant auf den ersten Platz zu verzichten und Brasilien als möglichem Viertelfinalgegner aus dem Weg zu gehen, war im Vorfeld der Partie gegen Japan spekuliert worden. Es war sicher Mangel an Gespür, dass wenige Stunden vor Anpfiff die Verbände eine umfangreiche Kooperation bekannt gaben (Länderspiele, Frauenfußball, spanische WM-Bewerbung 2030). Doch dass die Spanier zur Besiegelung der Partnerschaft freiwillig verloren, erscheint weit hergeholt.
Dieses Spiel mit seiner Gesundheit hätte der 52 Jahre alte Trainer gewiss nicht toleriert. Und einem Spieler befehlen, er möge absichtlich verlieren? „Ich habe so aufgestellt, dass wir gewinnen können“, sagte er. Gegen die Effekte der Blamage muss Luis Enrique erst einmal anarbeiten. „Wegen zehn Minuten Panik“, kündigte er an, „werde ich aber nicht das Vertrauen in meine Spieler verlieren.“ GÜNTER KLEIN