Doha – Wenn von Bundestrainer Hansi Flick (57) die Rede ist, wird oft von einem Menschenfänger gesprochen. Daran ändert auch das erneute Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft in Katar nichts. Trotzdem werden einige seiner Entscheidungen im Vorfeld und während des Turniers in der Branche intensiv diskutiert. Sowohl unter den Spielern als auch den Staff-Mitgliedern. Ein Überblick über Flicks Fehlerliste.
Kader-Nominierung: Auch wenn Flick es öffentlich nie ausgesprochen hätte, die Nicht-Nominierung von Routinier Mats Hummels (33) hat in erster Linie zwischenmenschliche Gründe. Der Dortmunder ist bekannt dafür, gerne öffentlich den Finger in die Wunde zu legen – und in Katar hätte er genug Anlässe gefunden. Angesichts der wackligen Auftritte der Innenverteidiger Niklas Süle (27) und Nico Schlotterbeck (23) war es im Nachgang eine krasse Fehleinschätzung, Hummels zu Hause zu lassen.
Auf der Linksverteidiger-Position verzichtete der Bundestrainer auf Robin Gosens (28) von Inter Mailand, nahm stattdessen den Freiburger Christian Günter (29) als defensive Alternative ins Aufgebot. Gesetzt war hingegen der Leipziger David Raum (23). Der international unerfahrene Verteidiger wirkte häufig überfordert und von der großen WM-Kulisse zu beeindruckt. Der im Team äußerst beliebte Gosens hätte die nötige Routine inklusive der Angriffspower mitgebracht.
Rechtsverteidiger-Lotterie: Drei Gruppenspiele und mit Niklas Süle (27), Thilo Kehrer (26) und Joshua Kimmich (27) drei unterschiedliche Rechtsverteidiger. Flick schaffte es in Katar nicht, für Kontinuität auf dieser Position zu sorgen. Vor allem Kehrer war vom Bundestrainer persönlich enttäuscht. Denn: Bis zur WM hatte der Spieler von West Ham United die meisten Spielminuten unter Flick gesammelt – und ausgerechnet beim Turnier blieb er, abgesehen vom Spanien-Spiel, außen vor. Stattdessen erhielt Süle gegen Japan den Vorzug, obwohl dieser auch in Dortmund nur bedingt Lust auf diese Position hat. Der Vorwurf: Hat Flick in jüngster Zeit überhaupt ein Spiel von Süle als Rechtsverteidiger beim BVB gesehen? Überzeugend waren diese nicht.
Kommunikation: Eigentlich gilt Flick als großer Kommunikator. In Katar zeigte er ein anderes Gesicht. So soll Schlotterbeck dem Vernehmen nach erst am Spieltag Bescheid bekommen haben, dass er gegen Japan von Anfang an spielt. Dem jungen Verteidiger blieb demnach keine Zeit, vor seinem ersten WM-Spiel mit seinen Vertrauten zu sprechen und sich dadurch die Nervosität nehmen zu lassen. „Mit Hansi ist das immer so eine Sache. Auch beim letzten Spiel gab es noch bis mittags die Überlegung, wie man aufstellt. Das ist am Ende auch eine kleine Bauchentscheidung“, erklärt DFB-Direktor Oliver Bierhoff (54).
Bei Leon Goretzka (27) war es dem Anschein nach genau andersrum. Ihm teilte Flick wohl recht früh mit, dass er im ersten Gruppenspiel nicht in der Startelf stehen wird. Dementsprechend schlecht war die Laune des Mittelfeldspielers, mit der er auch im Teamcamp für eine angespannte Stimmung sorgte. Flicks Harmoniebedürfnis wurde ihm mit Goretzkas Einwechslung gegen Japan zum Verhängnis. Nachdem Ilkay Gündogan (32) vom Feld gegangen war, litt die Statik im deutschen Spiel – und das DFB-Team verlor trotz 1:0-Führung.