Al-Rajjan – Artig lächelte Lionel Messi nach seinem nächsten magischen WM-Moment, als im Bauch des Ahmad-bin-Ali-Stadions die Kameras klickten. Nur waren die eifrigen Selfie-Jäger, die in den Katakomben lauerten, keine Fans oder Journalisten, sondern Australiens Nationalspieler Joel King, Marco Tilio und Keanu Baccus, die der argentinische Superstar gerade aus dem WM-Turnier geschossen hatte.
In Katar will eben jeder ein Stück von Messi, der den Traum von „La Tercera“, dem dritten WM-Pokal nach 1978 und 1986, weiterleben darf. „Der klügste und mutigste Messi, den die Nationalmannschaft je gesehen hat, führte die Mannschaft mit dem Herzen in der Hand“, überschlug sich „La Nacion“ vor Lob für den sechsmaligen Weltfußballer, der Argentinien am Samstag beim 2:1 (1:0)-Achtelfinal-Erfolg gegen den Underdog aus Down Under unter die letzten Acht in Katar gehievt hatte. Die Hoffnung auf den großen Coup lebt. Messi selbst, auf dem im Viertelfinale gegen die Niederlande am Freitag (20.00 Uhr MEZ/ZDF und MagentaTV) nicht weniger Druck lasten wird, unterdrückte jedes Quäntchen Glücksgefühl, das ihm zu viel erschien: „Wir haben einen weiteren Schritt gemacht. Jetzt kommt ein noch schwierigerer“, sagte der 35-Jährige, nachdem er im 1000. Spiel seiner Karriere den legendären Diego Maradona überflügelt hatte.
Sein neuntes WM-Tor erzielte „La Pulga“, als er in der 35. Minute eine wunderschöne Kombination per Flachschuss zur Führung veredelte – eins mehr als die Hand Gottes und nur eins weniger als Argentiniens Rekordtorschütze Gabriel Batistuta. „Ein Billardstoß von Messi öffnete den Weg. Leo sieht, was kein anderer sieht, und der Ball gehorcht ihm“, jubelte „Clarin“ nach Messis erstem Treffer in einer WM-K.o-Runde. Eigentlich kaum zu glauben.
Natürlich besitzt Messi ein unglaubliches Talent, das er seit fast 20 Jahren im Weltfußball zur Schau stellt, aber in der Wüste trägt der Quell seiner Kraft drei Namen: Thiago (10), Mateo (6) und Ciro (4) – erstmals sind seine Kinder bei einer Weltmeisterschaft dabei. „Jetzt haben meine Söhne eine Ahnung, was eine WM ist“, so Messi: „Und das lässt mich das Turnier noch mehr genießen.“
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Messi im Turnier bislang schwertat. Die Erwartungshaltung, bei seiner fünften und letzten WM den ultimativen Triumph zu feiern, war ihm durchaus anzumerken. Und das nicht nur bei der blamablen Auftaktpleite (1:2) in der Gruppe gegen Saudi-Arabien. Auch gegen Australien schlich er in der ersten Halbzeit mehr über den Rasen und verhedderte sich in Zweikämpfen, als dass er zauberte.
Aber Messi schaltet nun einmal, so ist es seit den glorreichen Barcelona-Zeiten, in Sekundenbruchteilen von Standfußball auf Tiki-Taka. Die rund 30 000 argentinischen Anhänger, die sich am Samstag gleich mehrfach vor ihrem Heiland verneigten, staunten genauso wie die Gegner. Kein Wunder, dass die zumindest noch Messi-Selfies wollten. Auf dem Rückflug hatten Joel King und Co. wertvolle Erinnerungen auf dem Handy.