Doha – Hans-Joachim Watzke (61) genießt eine exponierte Stellung innerhalb des DFB. Das zeigte sich in Katar auch anhand seiner Unterkunft. Während die Verbandsdelegation im Steigenberger Hotel im Geschäftsviertel Al Matar an der Flughafenstraße untergebracht war, residierte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund und DFB-Vizepräsident im Szeneviertel The Pearl, einer 400 Hektar großen künstlichen Insel etwa 330 Meter vor der Ostküste des Emirats. Am Sonntag brach Watzke seine Zelte dort ab – und machte sich auf den Weg nach Hause. Mit folgender Mission im Gepäck: den Fußball hierzulande wieder auf Vordermann zu bringen.
Die Erwartungshaltung von Spielern, Funktionären und Bundesliga-Managern an Watzke ist groß. Er soll das entscheidende Zahnrad sein, um den deutschen Fußball wirklich wieder zurück an die Weltspitze zu führen, wie bereits nach der Blamage bei der WM 2018 großspurig von Oliver Bierhoff (54) angekündigt. Für den Direktor Nationalmannschaft und Akademie könnte es deswegen jetzt eng werden. Watzke will aufräumen.
Bereits am Mittwoch findet die angekündigte Krisensitzung mit Watzke, Bierhoff, Bundestrainer Hansi Flick (57) und Präsident Bernd Neuendorf (61) in Frankfurt statt. Zuvor wollen sich Neuendorf und Watzke laut Sky Anfang der Woche bereits über ihre Erwartungshaltung und Herangehensweise an die Sitzung austauschen. Auch über mögliche Szenarien im Falle einer nicht überzeugenden Fehleranalyse der beiden Verantwortlichen. „Diese Analyse muss auch umfassen: die Entwicklung der Nationalmannschaft und unseres Fußballs seit der WM 2018. Das ist eine Anforderung und ein Anspruch, den wir als Verbandsleitung an die sportliche Leitung in dieser Situation haben“, hatte Neuendorf noch in Katar gefordert.
Bei allem Respekt vor dem Verbandsoberhaupt: Seine fußballerische Fachkompetenz ist limitiert. Neuendorf war Profi-Politiker, kein Profi-Fußballer. Watzke kann ebenfalls keine Karriere als Leistungssportler vorweisen, kennt die Mechanismen aber durch seine jahrzehntelange Erfahrung als Topmanager im internationalen Fußball. Darüber hinaus kann er nach Belieben auf prominente externe Fachkompetenz zurückgreifen. Nicht ausgeschlossen, dass er sich bereits bei Kumpel und Liverpool-Trainer Jürgen Klopp (55) nach dessen Meinung erkundigt hat. Mit BVB-Berater Matthias Sammer (55) steht Watzke im Austausch – und wird sich von ihm für Mittwoch briefen lassen.
Einen kleinen Vorgeschmack seiner Sicht auf die Dinge gab der ehemalige Nationalspieler bei Magenta TV: „Ein Sportsystem ohne einen übergeordneten sportlichen Leiter – das ist das Bild des Deutschen Fußball-Bundes. Ich habe genug Fehler gemacht in meinem Leben. Aber den Fehler, diese Position abzuschaffen, auf die Idee musst du erst mal kommen.“
Sammer war zwischen 2006 und 2012 selbst als DFB-Sportdirektor tätig – und fordert die Wiedereinführung des Postens: „Fakt ist, dass diese Person auch verantwortlich ist für die großen Leitlinien. Ein Sportdirektor gibt die großen Linien vor und sie brauchen für meine Begriffe alle zwei Jahre ein Korrektiv, um an den kleinen Stellschrauben in die richtige Richtung zu drehen.“
Bierhoff hat sich gezwungenermaßen – vor allem wegen der Vergrößerung seines Aufgabenbereichs als Leiter der DFB-Akademie – zu weit von der A-Mannschaft entfernt. Ein reiner Sportdirektor könnte den vollen Fokus auf das sportliche Geschehen rund um die Nationalmannschaft legen und Flick, der eine zweite Chance im Hinblick auf die Heim-EM 2024 erhalten soll, den Rücken frei halten. An prominenten Namen für potenzielle Kandidaten – Lothar Matthäus (61) oder Ralf Rangnick (64) – mangelt es nicht. Der ehemalige Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters (62) war für dieses Amt bereits 2006 im Gespräch – und gilt als enger Vertrauter von Bundestrainer Flick.