WM-TAGEBUCH

Plastik-Venedig – da hat Katar versagt

von Redaktion

VON GÜNTER KLEIN

In Vorberichten zu Katar war eine Mall zu sehen, in der Venedig nachgebaut wurde und Gondeln durch einen Canale gleiten. Nach dem Spiel Niederlande – USA bemerkten wir: Das „Villaggio“ liegt neben dem Khalifa International Stadium. Gut, wir wollten eh etwas essen, sind wir also rübergegangen und haben das inspiziert. „Venedig nachgebaut“ ist ein großer Begriff für ein 150 Meter langes schmales Wasserbecken. Auf Bildern (siehe oben) kommt der Bau pompöser rüber, als er ist. Auch dass die Gondoliere sich nicht anstrengen müssen und ihr Boot wie ferngesteuert fährt, lässt die Illusion einstürzen. Da bleiben die katarischen Investoren einiges schuldig. Sie hätten mindestens eine Terrasse über der Szenerie anbringen müssen, auf der Uwe Kockisch frühstückt. Oder Donna Leon als „Artist in Residence“ einladen müssen, die während der WM einen Commissario-Brunetti-Krimi schreibt. Vorgabe Katars wäre, dass der Fall (Mall-Besucher trägt ein Regenbogenarmband) mit Hilfe von Kameras und Gesichtserkennungs-Software aufgeklärt wird. Neben dem Plastik-Venedig gibt es auch eine Eisbahn. Schlittschuhlaufen in der Wüste wird als Sensation gefeiert, Dubai lächelt müde: Eine Eisfläche hat es in einer seiner Einkaufszentren schon seit fast 20 Jahren – und eine Skihalle (vom Autor dieser Kolumne im Januar 2007 befahren). Und vor vier Jahren bei der WM waren wir in Moskau in Malls, durch die Achterbahnen rauschten. Ein schrecklicher Verdacht: Sind die Riesen-Shoppingtempel von Doha wirklich nur zum Einkaufen da?

Artikel 1 von 11