Doha – Die Wahrheit liegt neben dem Platz. Auch das ist nämlich wichtig: Wie verhalten sich die, die nicht auf dem Feld stehen dürfen, die Ersatz sind? Antwort: tadellos. Jedes Mal, wenn Brasiliens auserwählte Elf am Montagabend traf, dann bildete sich vor der Bank eine zweite Traube aus jubelnden Männern. Sie tanzte genauso wie die auf dem Platz, und nach dem 3:0 lief der gerade erfolgreich gewesene Richarlison sogar nach draußen, um dort an den parallelen Feierlichkeiten teilzuhaben, kurz in die Mitte zu treten und sich spaßeshalber einen Satz heiße Ohren verpassen zu lassen. Eindeutige Zeichen: Es stimmt menschlich in der Selecao, da sind weit mehr als elf Freunde am Werk. Spielerisch ist das eh alles wunderbar, das 4:1 (4:0) im Achtelfinale gegen Südkorea war eine für alle Konkurrenten erschreckende Leistungsschau. Weiter geht es am Freitag gegen Kroatien.
Neymar war wieder dabei; im ersten Gruppenspiel hatte er sich am Sprunggelenk verletzt. Brasilien bangte einige Tage, nun kann es wieder frohgemut sein, offensiv kann Trainer Professor Tite Bestbesetzung aufbieten: Neymar, Raphinha, Richarlison, Vinicius Junior – eine weltmeisterreife Generation. Sie entschied das Spiel schon in den ersten Minuten. Vinicius Junior wurde von Raphinha freigespielt, sodass er in Ruhe die Ecke im südkoreanischen Tor anvisieren konnte – 1:0 (7.). Neymar verwandelte einen von Jung tollpatschig an Richarlison verschuldeten Strafstoß (13.). Die Treffer von Richarlison selbst (29.) und Lucas Paqueta (36.) mit einem Volleyknaller – pure Weltklasse. 4:0 war die höchste Halbzeitführung der brasilianischen WM-Historie.
Südkorea hatte zwischendurch aufrichtig versucht, ins Spiel zurückzukommen. Hee-Chan Hwang, der in Salzburg und Leipzig spielte, wehrte sich am sichtbarsten. Aus dem Nichts ließ er einen präzisen Fernschuss auf Brasiliens Tor los (17.), später (33.) dribbelte er sich in den Strafraum – doch die Selecao hat in Allison Becker einen Spitzentorwart, der beide Situationen bereinigte. In der 68. Minute waren Allison und Vorderleute noch einmal gefragt, eine eigene Nachlässigkeit war der Grund, dass die Koreaner zu einer Großchance kamen. In der 76. Minute ihr Ehrentor (1:4) – Distanzschuss von Paik.
Neymar hatte einige Momente in seinem Spiel, in denen der Eigensinn die für die Mannschaft bessere Lösung verhinderte, doch seine Rückkehr ist ein Segen für Brasilien, das sich ohne seine Nummer 10 zweimal schwergetan hatte (1:0 gegen die Schweiz, 0:1-Niederlage gegen Kamerun). Mit Neymar spielt, tanzt und feiert die Selecao noch eine Klasse besser.
Dass in der zweiten Halbzeit die Konsequenz vor des Gegners Tor fehlte und Südkoreas Keeper sich mit ein paar Glanztaten aus dem Turnier verabschiedete – geschenkt. Außerdem musste sich Brasilien schonen – die Regenerationszeit ist die kürzeste aller Viertelfinalisten.