München – Vertraute Atmosphäre für die handelnden Personen, Geheimniskrämerei gegenüber der Öffentlichkeit: Am frühen Mittwochnachmittag begann der Krisengipfel zwischen Bundestrainer Hansi Flick, Präsident Bernd Neuendorf (61) und dessen Vize Hans-Joachim Watzke (63). Während etliche Reporter vor der DFB-Zentrale lauerten, fanden sich Flick und die Bosse im Kempinski Hotel Gravenbruch ein. Hier, wo das DFB-Team auch die letzte Nacht vor dem Abflug nach Katar verbracht hatte, startete also der erste Akt der Fehleranalyse.
Mit Handy in der einen und Jacke in der anderen Hand schritt Flick zum Eingang der Luxus-Herberge, Neuendorf brachte eine Aktentasche mit, Watzke kam gar mit einem silbernen Rollkoffer. Ab 14 Uhr steckte das Trio die Köpfe zusammen. Die große Frage – neben der Analyse des WM-Desasters und der Suche nach einem Nachfolger für Oliver Bierhoff (54): Macht Hansi Flick überhaupt weiter? Um 18:21 Uhr war die Antwort klar: Ja! Als Flick nach dem zweieinhalbstündigen Krisengipfel in seiner Dienstlimousine davonbrauste, hatte er Gewissheit. Der 57-Jährige darf sein Amt als Bundestrainer trotz der krachenden WM-Pleite behalten – und soll die Nationalmannschaft bei der Heim-EM zu neuen Erfolgen führen.
Der Verband ließ nach dem mit Spannung erwarteten Treffen am Abend für die Öffentlichkeit „weißen Rauch“ aufsteigen. Flick werde seinen noch 18 Monate laufenden Vertrag erfüllen – in der Hoffnung auf ein Sommermärchen 2.0. „Mein Trainerteam und ich blicken optimistisch auf die Europameisterschaft im eigenen Land. Wir als Mannschaft können viel mehr erreichen, als wir in Katar gezeigt haben“, wird Flick in einer DFB-Mitteilung zitiert. Neuendorf berichtete nach der Runde: „Wir haben volles Vertrauen in Hansi Flick, dass er diese Herausforderung gemeinsam mit seinem Team meistern wird.“
Das Statement des Bundestrainers zum Abschied von Bierhoff („schwer vorstellbar ohne ihn“) hatte zuvor aufhorchen lassen. Flick hatte sich bei Amtsantritt zusichern lassen, dass Bierhoff als erster Ansprechpartner im Verband zur Verfügung steht. Dazu soll es sogar eine entsprechende Vereinbarung in Flicks Vertrag geben, wie der „Spiegel“ berichtet. Dass der Coach direkt sein Amt niederlegt, war trotzdem nicht zu erwarten gewesen – die Drohkulisse sorgte aber dafür, dass er bei der Nachfolgeregelung ein Mitspracherecht hat. Wie unsere Zeitung erfuhr, ist künftig eine Arbeitsteilung geplant. Eine Person soll künftig die sportliche Verantwortung für die Nationalmannschaft übernehmen und sich ausschließlich um das A-Team kümmern, vor allem mit Blick auf die Heim-EM 2024. Für die Themen Nachwuchs, Frauen-Fußball, Trainer-Ausbildung und Akademie, die bisher auch zu Bierhoffs Aufgabengebiet gehörten, soll ein Sportdirektor gefunden werden.
Diese Aufgabenteilung könnte beispielsweise das Duo Thomas Hitzlsperger (40) und Per Mertesacker (38) übernehmen, ihre Namen haben die Verantwortlichen auf dem Schirm – und auch den von Fredi Bobic (51). Er ist Aufsichtsratsmitglied bei der DFL und Vorstandsmitglied beim DFB. Eine schnelle Nachfolgeregelung für Bierhoff strebt Neuendorf nicht an. „Wir haben uns darauf verständigt, zunächst innerhalb des DFB über die künftige Struktur dieses Aufgabenbereichs zu beraten, um anschließend eine Personalentscheidung zu treffen“, wurde der Verbandschef zitiert.