An diesem Freitag will die niederländische Nationalmannschaft den nächsten Schritt Richtung WM-Titel machen. Gegner im Viertelfinale ist Argentinien mit Superstar Lionel Messi (35). Der ehemalige Bayern-Spieler Edson Braafheid (39) stand mit den Niederlanden 2010 im WM-Finale, scheiterte in der Verlängerung an Spanien. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Braafheid über die aktuelle Oranje-Generation, Trainer Louis van Gaal (71) und seinen neuen Job.
Die Niederlande haben souverän und mit gutem Fußball das Viertelfinale erreicht. Überraschend oder läuft alles nach Plan?
Ich bin eher überrascht davon, dass man in Deutschland den gezeigten Fußball offenbar als sehr gut ansieht. In unserer Heimat bekommt die Nationalmannschaft viel Kritik, weil sie eben nicht den typisch holländischen Fußball zeigte. Ich habe einige Gespräche geführt, und viele Leute sehen den Spielstil negativ. Ich versuche, einfach das Ergebnis zu sehen. Das Team hat bis auf ein Remis alle Spiele gewonnen. Die Spieler haben Selbstvertrauen gesammelt. Und ich bin sicher: Je stärker die Gegner werden, desto besser werden wir spielen.
Wo sehen Sie die Probleme der Niederlande?
Die Mannschaft spielt kompakt und versucht, mit den schnellen Angreifern über Konter erfolgreich zu sein. Aber das ist irgendwie auch das Problem. Das Mittelfeld ist nicht so stark wie gewünscht. Wenn das Mittelfeld nicht schnell genug in die Offensive nachrückt, verlieren die Angreifer leichter den Ball. Die Niederlande braucht mehr Ballbesitz und muss den Ball auch länger in den eigenen Reihen halten. Dadurch bekommt man auch mehr Selbstvertrauen.
Worauf wird es gegen Argentinien ankommen?
Argentinien ist die beste Mannschaft, gegen die die Niederlande bisher im Turnier gespielt haben. Sie werden dem Gegner mehr Ballbesitz lassen, haben nicht den Druck, das Spiel machen zu müssen. Das könnte ein Vorteil sein. Sie müssen kompakt verteidigen und bei Ballgewinn schnell umschalten. Dann kommt ihnen ihre Schnelligkeit zugute.
Werden die Niederlande dafür sorgen, dass es das letzte WM-Spiel von Lionel Messi sein wird?
Es ist eine große Ehre, gegen einen der größten Fußballer aller Zeiten zu spielen. Aber wir werden ihm nicht helfen. Wenn wir jemandem helfen wollen, dann nur uns. Es wäre ein großer Schub für uns, wenn wir Argentinien und Messi aus dem Turnier kicken könnten.
Ein Holländer, der momentan in aller Munde ist, ist Cody Gakpo von PSV Eindhoven.
Seine Leistungen überraschen mich. In der niederländischen Liga hat er oft auf dem linken Flügel gespielt, er hat aber auch die Fähigkeiten eines Mittelfeldspielers. Er hat ein super Raumgefühl, ein top Dribbling und einen Zug zum Tor. Ich denke, er kann sich weiter verbessern und hat eine noch größere Zukunft vor sich.
Bei Eindhoven steht er noch bis 2026 unter Vertrag. Doch viele Klubs wollen ihn im kommenden Sommer schon verpflichten.
Falls Bayern München ihn haben möchte, sollten sie schnell sein.
2010 waren Sie mit Holland richtig nah am WM-Titel dran. Am Ende konnte sich Spanien knapp in der Verlängerung durchsetzen. Denken Sie noch oft daran zurück?
Je älter man wird, desto mehr fragt man sich, was hätte sein können… Manchmal stelle ich mir vor, wie es wohl gewesen wäre, als beste Mannschaft der Welt bezeichnet zu werden. Aber Spanien war damals großartig. Wir waren sehr nah dran. Ich habe mittlerweile meinen Frieden damit gemacht.
Auch mit Louis van Gaal? Beim FC Bayern hatten Sie keine einfache Zeit unter ihm.
Es gehören immer zwei Seiten dazu. Ich schaue auf mich selbst. Ich habe sehr viel als Spieler und Mensch gelernt, genauso wird er sein Verhalten reflektiert haben. Ich hege keinen Groll gegen ihn. Ich wünsche ihm nur das Beste und hoffe, dass Holland Weltmeister wird. Ich habe Vertrauen in ihn und die Mannschaft.
Wie nehmen Sie ihn heute wahr?
Er hat sich seitdem gewandelt. Mittlerweile ist er netter zu den Menschen. Er hat gemerkt, dass der menschliche Part im Leben sehr wichtig ist. Obwohl er noch immer sagt, was er denkt. Bezogen auf seine Arbeit als Trainer, aus taktischer Sicht und wie er seine Mannschaft heiß macht, gehört er nach wie vor zu den Besten. Van Gaal macht einen unfassbar guten Job. Ich genieße seine Interviews und ihn als Menschen.
Zum Abschluss zu Ihnen Was machen Sie momentan?
Ich lebe mit meiner Familie in Miami. Gianni Zuiverloon und ich haben die Stiftung Play Mental Foundation gegründet. Wir helfen 12- bis 28-jährigen Menschen in Schulen, Sportvereinen und im Geschäftsleben. Bei allem im Leben spielt die mentale Seite eine große Rolle.
Interview: Philipp Kessler