Besonders gewiefte Beobachter hätten schon vor Mittwochnachmittag darauf kommen können, dass Fußball-Deutschland aktuell weit und breit keine Alternative zu bieten hat. In einem Land, das in seiner jüngeren Historie Bundestrainer namens Berti (Vogts), Rudi (Völler) und Jogi (Löw) beschäftigt hat, kann es doch nicht allen Ernstes mit Thomas (Tuchel) oder Jürgen (Klopp) weitergehen. Es war nur logisch, dass Hansi bleiben muss. Oder soll man ab jetzt Hans-Dieter sagen?
Na gut, die Frage ist alt, sie wird Flick wirklich schon immer gestellt. Zuletzt beim FC Bayern, als man bei seiner Beförderung aus der zweiten Reihe auf den Posten des Chefs vorsichtshalber noch mal abklopfte, ob das mit dem „Hansi“ wirklich so bleiben soll. Die Antwort des Mannes, der dem Branchenprimus in der Folge das bis dato erfolgreichste Jahr seiner Geschichte bescherte, war dieselbe wie immer. Ja, ich heiße Hansi, und ich bleibe Hansi! Wer mich haben will, hat mich zu nehmen, wie ich bin. Daran hat sich auch jetzt, nach dem größten Rückschlag seiner Trainerkarriere, nichts geändert. Aber der DFB nimmt das in Kauf – und das ist gut.
Tatsächlich ist die Angst vor einer Trennung von Flick ja nur in den rund 48 Stunden über der Republik geschwebt, die zwischen seinem Statement nach dem Aus von Oliver Bierhoff und dem Rapport bei den DFB-Bossen vergangen sind. Man war sich nicht sicher, wie der nette, aber doch eitle Flick die Verbannung seines engsten Vertrauten im Stab aufnehmen würde – und was die Gegenseite tut, wenn er seinen Unmut los wird. Nun soll es in Frankfurt ja angeblich „freundlich“ zugegangen sein, man hat sich Vertrauen zugesichert und die Überzeugung ausgesprochen, den steinigen Weg aus der Krise zu einer erfolgreichen Heim-EM gemeinsam gehen zu können. Das ist die Grundvoraussetzung. Die eigentliche Arbeit aber beginnt jetzt. Und die Zeit drängt.
Flick mag zwar Hansi sein, aber er kann auch ungemütlich werden, wenn es der Sache dient. In Katar soll die Halbzeitansprache im finalen Gruppenspiel gegen Costa Rica so ein Moment gewesen sein, von denen es ab sofort mehrere geben sollte. In den kommenden 18 Monaten sind Autorität und Konsequenz gefordert, wenn es um Personalfragen, Einstellung der Spieler, Konkurrenzkampf geht. Keiner darf sich zu sicher sein. Das gilt im Übrigen für die Spieler wie für Flick selbst.
Er kann in eineinhalb Jahren Großes erschaffen, hat die historische Chance, die Nation mit dem Fußball zu versöhnen. Er kann aber auch selbst dafür sorgen, dass man 2024 eben doch etwas anderes sucht – und auf Thomas oder Jürgen setzt.
Hanna.Raif@ovb.net