Watzke holt die Bayern ins Boot

von Redaktion

Branchenprimus übt sich bislang in hintergründiger Diplomatie – Kahn soll aber nun in die DFL

VON HANNA RAIF UND PHILIPP KESSLER

München – Immerhin einer sprach am Mittwochabend, und Herbert Hainer nutzte die Nachricht des Tages – das muss man ihm lassen – geschickt für eine kleine Ankündigung in eigener Sache. Das Festhalten an Hansi Flick, sagte der Präsident des FC Bayern, fände er „gut“, auf dem Weg zur Heim-WM 2024 warb er für einen „Schulterschluss“, und mit Blick auf die neben dem DFB ebenso krisengeschüttelte DFL sagte er: „Da müssen wir uns alle zusammenschließen, und der FC Bayern wird sich da sehr aktiv, vor allem Oliver Kahn in der Person als Vorstandsvorsitzender, einbringen in den Prozess, die DFL weiter zu stärken.“ Der FC Bayern will also mitreden, wenn es um die Neuordnung des deutschen Fußballs geht. Das waren, zumindest öffentlich, ganz neue Töne – die gestern auch von der anderen Seite bestätigt wurden.

„Wir müssen alle Kräfte bündeln. Der FC Bayern ist in alle Überlegungen eingebunden“, sagte Hans-Joachim Watzke bei der Präsentation der neuen DFL-Spitze und warb für eine Allianz der Top-Vereine. Der DFL-Aufsichtsratsboss betonte: „Es gibt nur einen deutschen Fußball“, deshalb sei es wichtig, „dass der größte und erfolgreichste Club“ in die Prozesse rund um die neue personelle Besetzung und inhaltliche Ausrichtung involviert sei. Er sprach sich für eine Kandidatur von Kahn oder dessen Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge aus: „Das hilft.“ Zumal in Jan-Christian Dreesen der einzige Vertreter der Bayern im Sommer aus dem Gremium ausscheidet.

Die Bayern werden also offiziell gerufen, man braucht ihre Hilfe, ihre Expertise – das hört man natürlich gerne an der Säbener Straße. Denn der Eindruck, der in der Fußballrepublik in den vergangenen acht Tagen seit dem WM-Aus der DFB-Elf entstanden ist, kam ja nicht von ungefähr. Da wurden Porträts über Watzke verfasst, da grüßte der BVB-Boss von allen Tageszeitungen, da wurde Borussia Dortmund nicht nur einmal als „Machtzentrale im deutschen Fußball“ bezeichnet. All das hat man freilich auch in München vernommen. Aber man hatte sich dazu entschieden, die Situation erst mal unkommentiert zu lassen.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Während Oliver Kahn seinen medialen Redebedarf für das Fußballjahr 2022 als gedeckt ansah, haben die ehemaligen Bayern-Macher in den vergangenen Tagen gegrübelt, ob und wenn ja, wie und wo sie ihre Einschätzung zur Lage der Nation kundtun sollen. Natürlich gefiel die Gesamtsituation weder Uli Hoeneß noch Rummenigge, beide machen sich ihre Gedanken. Dennoch haben sie – jeder für sich – entschieden, zunächst nicht in den Kritik-Kanon einzustimmen. Draufhauen bringt keinen Fortschritt, ist zu hören. Zudem sah sich auch vor der Entscheidung vom Mittwoch, mit Hansi Flick bis zur EM 2024 zu gehen, niemand dazu berufen, den erfolgreichsten Coach der eigenen Vereinsgeschichte zu stärken. Der Hansi hat selbst die besten Argumente, sagte man. Und so schwiegen sie weiter.

Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass sich die Lage im Hintergrund anders darstellte. Kahn und Watzke etwa befinden sich in der Causa Flick sowie einer Nachfolgesuche für den zurückgetretenen Oliver Bierhoff in engem Austausch. Und dass Rummenigge seinem langjährigen Freund sowieso regelmäßig mit Rat und Tat zur Seite steht, ist bekannt. Auch beim DFB weiß man um die Expertise des langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Bayern; ausgeschlossen ist es nicht, dass er sich etwa im Falle der Bildung einer „Task Force“ beim DFB weichklopfen lässt.

Die Bayern hatten allein qua Amt gerade nichts zu melden. Während Watzke als Aufsichtsratsvorsitzender der DFL automatisch DFB-Vizepräsident ist, blieb den Münchner Machern nichts als hintergründige Diplomatie. Der Gedankengang, sich in Übereinkunft mit dem national einwirkenden BVB um die internationalen Belange der deutschen Clubs zu kümmern – gestern etwa reiste Kahn zum ECA-Treffen nach Katar –, bedurfte daher einer Überprüfung. Im Sinne aller soll es jetzt gemeinsam gelingen. Zusehen und schweigen – das ist nicht die Rolle des FC Bayern.

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