„Das Feuer wird nie erlöschen“

von Redaktion

RODELN Felix Loch (33) über seine Zukunftspläne, Hackl Schorsch und einen siebten WM-Titel

München – Es war kein Start nach Maß: Beim Weltcup-Auftakt in Innsbruck stürzte Felix Loch. Doch das ist schon wieder abgehakt. Der 33-jährige Rodler, aktuell beim Weltcup im kanadischen Whistler, spricht im Interview mit unserer Zeitung über das Feuer für seinen geliebten Sport, die starken Österreicher und Olympia 2026.

Herr Loch, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen?

Gut! Eigentlich ist alles wieder in Ordnung. Ich merke den Oberschenkel noch ein wenig, aber dadurch, dass wir nach dem Sturz direkt alles richtig behandelt haben, ist es über die Woche nicht schlimmer geworden. Ich konnte normal trainieren, alles funktioniert.

Die Österreicher haben den Auftakt in Innsbruck dominiert. War das ein Fingerzeig für die Saison?

Das war eine kleine Demonstration – aber davon sollten wir uns nicht blenden lassen. Solche Rennen haben wir auch schon gehabt, in denen alles gestimmt hat. Ich mache mir keine Sorgen, dass die Österreicher uns das ganze Jahr über deklassieren. Die sind stark, die können schnell rodeln, die haben in Georg Hackl nun einen guten Techniker. Aber wir haben im Sommer auch nicht geschlafen.

Hackl hat nach der vergangenen Saison – nicht ganz ohne Störgeräusche – die Lager gewechselt. Gönnen Sie ihm diesen Einstand?

Hinter vorgehaltener Hand haben wir schon gefragt: Was haben denn die anderen Techniker und Trainer in Österreich bisher gemacht? Aber das ist natürlich nur ein Spaß … Wir haben das Thema abgehakt.

Auch Sie sind ein begnadeter Tüftler. Hat sich Ihre Rolle durch Hackls Abgang verändert?

Ich mache viel mit unserem Techniker Christian (Thurner/Anm. d. Red.) zusammen. Er versteht wirklich viel von der Materie, aber es ist schon etwas anderes, wenn man selbst runterfährt, weiß, was der Schlitten unter einem so alles machen kann. Ich erkläre, gebe das Feedback, das er braucht. Wir haben da andere, neue Ansätze, von denen wir uns viel versprechen. Trotzdem wird es in den nächsten Jahren noch eine Findungsphase sein. Christian wird uns richtig voranbringen. Aber erstmal müssen wir ihn unterstützen.

Sie sagten vor der Saison: „Bis jetzt vermisst niemand den Schorsch.“

Dabei bleibe ich auch. Es hat keinen Sinn, da hinterher zu weinen. Man kann es ja sowieso nicht mehr ändern. Wenn ich jetzt jeden Tag frage „Was würde der Schorsch dazu sagen?“, bringt mich das nicht weiter. Wir machen uns selber unsere Gedanken – und hatten daher auch bisher gar keine Zeit, nach hinten zu blicken.

Dann lassen Sie uns nach vorne schauen: Kommt Whistler – der Ort Ihres ersten Olympiasiegs – gerade recht nach dem verkorksten Start?

Auf jeden Fall. Ich bin gerne hier, schon immer gewesen. Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen, nach zwei Jahren, in denen wir nicht da waren. Man ist hier in den Bergen, hier ist Winter, Schnee, und die Bahn selber ist – wie jedes Mal – in einem superguten Zustand. Richtig schnell, das wissen wir. Aber das macht sie ja auch so reizvoll.

Sie sind seit 2006 im Weltcup, ihre erste Station war Park City, wo sie kommende Woche gastieren. Ein Kreis schließt sich aber noch nicht, oder?

Überhaupt nicht. Ich freue mich auf Park City, es ist immer etwas Besonderes für mich dort. Aber genauso freue ich mich auf die WM im kommenden Jahr in Oberhof. Da ging es 2008 los für mich, als ich meinen ersten Titel holte. Der Blick aber geht noch viel, viel weiter. In Richtung 2026.

Vor den Olympischen Spielen 2022 sagten Sie, dass Sie danach womöglich von Jahr zu Jahr denken.

Aber dann habe ich schnell gemerkt, dass ich lieber gleich sage: Ich hänge vier Jahre dran. Mindestens. Ich weiß, was für Highlights in den kommenden Jahren anstehen – und wer weiß, wo die Olympischen Rodelwettbewerbe stattfinden …

Der Bahnbau in Cortina verläuft schleppend. Spekulieren Sie auf die bis dahin wieder aufgebaute Bahn am Königssee?

Wer weiß, ob die italienischen Bahnbauer fertig werden. Und wenn Sie es nicht tun, ist alles denkbar …

2026 sind Sie 36 Jahre alt. Wann darf man Sie Rodel-Papa nennen?

(lacht) Gar nicht. Aber ich bin mir meiner Rolle schon bewusst. Ich sehe ja auch hier, wie schwer es für die jungen Wilden ist, auf den Bahnen, die sie noch nicht gut kennen. Wenn ich jetzt sagen würde, ich will nicht mehr, wäre das für alle nicht gerade förderlich. Sie können sehen, wie ich runterfahre, ich kann hier und da Tipps geben. Ich sehe es als meine Aufgabe, noch ein paar Jahre zu fahren – damit das deutsche Team dann Jungs hat, die in der Weltspitze mitfahren können.

Im Fußball würde man sagen: Sie sind Spielertrainer.

So in etwa, der Vergleich passt ganz gut. Auch wenn ich schon auch primär auf mich schauen muss. Wenn bei mir nicht alles passt, kann ich auch kein gutes Vorbild sein.

Stimmt es eigentlich, dass Sie so leicht sind wie noch nie?

Als ich in die Weltcup-Mannschaft kam, war ich so bei um die 90, jetzt so um die 95. Aber das sind vier, fünf Kilo weniger als in den letzten zehn Jahren. Es passt sehr gut. Ich sage immer: Stillstand darf es nicht geben – also immer mal wieder etwas Neues ausprobieren. Ob es am Schlitten, am Körper oder im Training ist. Wenn man jedes Jahr dasselbe abspult, funktioniert es nicht. Dann wird es langweilig.

Wenn Sie den Felix Loch von Whistler 2010 mit dem vergleichen, der heute in Whistler startet: Was hat sich noch geändert?

Ziemlich viel. Heute bin ich ruhig, abgeklärt, sehe die ganze Sache mit einer gesunden Distanz. Der Fokus hat sich in 16 Jahren natürlich verschoben, man hat andere Prioritäten. Damals war ich jung, unbekümmert, alles ging wahnsinnig schnell. Was gleich geblieben ist, ist der Spaß.

Können Sie sich vorstellen, dass das Feuer für Ihren Sport in Ihnen überhaupt irgendwann erlischt?

Das wird nie passieren. Ich bin so aufgewachsen, kenne nur ein Leben mit dem Sport. Und ich weiß auch, dass es nach meiner aktiven Karriere im Sport weitergehen wird. Ich will etwas zurückgeben für all das, was ich erleben durfte und darf. Das ist ja nicht selbstverständlich.

Wann kommt der Zeitpunkt?

Theoretisch kann man auch mit 40 noch rodeln (lacht). Und ich sage mir: Solange es körperlich gut geht, mache ich weiter. Ich weiß auch, dass die WM 2027 in Innsbruck stattfindet. So ausgeschlossen ist es nicht, dass ich die noch mitnehme. Solange ich um Podestplätze mitfahren kann, werde ich weitermachen.

Haben Sie eigentlich – wie Francesco Friedrich im Bob – genau im Kopf, wie viele Weltcupsiege sie schon haben? Und dementsprechend, was Ihr Karriereziel ist?

Nein, überhaupt nicht. Ich will gute und erfolgreiche Rennen bestreiten – und was rauskommt, kommt raus. Ich weiß natürlich, dass ich sechs WM-Titel habe, genau wie Armin Zöggeler. Da wäre einer mehr natürlich schön (lacht).

Ist der auch realistisch?

Auf jeden Fall!

Interview: Hanna Raif

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