Doha – Es ist der dritte Tag nach der Sensation – und sie klingt noch immer nach. Im Souk Waqif, dem gesellschaftlichen Treffpunkt der WM, tanzen und singen die Fans von Marokko die Nächte durch, beseelt vom Sieg über Spanien und dem Einzug ins Viertelfinale. Und als Trainer Walid Regragui zur Pressekonferenz vor dem nächsten Spiel gegen Portugal (Samstag, 16 Uhr) kommt, klatschen die marokkanischen Journalisten wieder Beifall.
Und nicht nur ein Land steht hinter dem Überraschungsteam der WM, sondern ein ganzer Kontinent und zwei Kulturen. Marokko ist der Sonderfall. Als vierte afrikanische Mannschaft in der Geschichte der Weltmeisterschaft ist es unter die besten Acht der Welt vorgestoßen – und zugleich als erster Vertreter des arabischen Kulturkreises. Bei der WM in Katar hat keine Mannschaft eine größere Anhängerschaft. „Wir sehen die Bilder in den sozialen Medien und spüren die Vibes“, verrät der Trainer.
Schon jetzt sieht Regragui sein Team auf dem höchsten Level, das eines aus Afrika je erreicht hat. „Die anderen drei hatten leichtere Gegner.“ Marokko indes traf neben Kroatien und Kanada („beste nordamerikanische Nation“) auf Belgien und Spanien, „da haben die Algorithmen nicht uns erwartet“. Es gebe etwas, das die Erwartungen aussetze: „Wir sind auf einer Mission, die Spieler sind nicht körperlich, aber mental auf einem 100-Prozent-Level.“ Zur Motivation trägt König Mohammed VI. bei. Er wurde in der Heimat im Nationaltrikot und bei den Menschen auf der Straße gesichtet. „Diese Bilder“, erklärt Ersatztorhüter Ahmed Tagnaouti, „geben uns ungeheure Energie.“
Der Trainer kündigt an: „Wir haben einen Plan, inschallah.“ Walid Regragui glaubt, dass der internationale Fußball gerade eine Zeitenwende erlebt. Er sieht das ja an der eigenen Person: Zehn Jahre lang habe er auch in Marokko Geringschätzung erlebt. Er war ein marokkanischstämmiger Fußballschaffender, geboren und aufgewachsen in Frankreich. Aber halt ein „Araber ohne Erfahrung“. Deswegen wurden ihm immer Trainer aus anderen Kulturen vorgezogen. „Undenkbar bisher, dass Barcelona oder Manchester City einen arabischen Coach verpflichten. Ich finde, auch afrikanische Trainer könnten in großen europäischen Clubs bestehen. Der einzige Maßstab ist das, was man drauf hat. Diese Momente können vieles verändern.“ gük