Al-Rayyan – Als wäre ein Elfmeterschießen an einem Viertelfinaltag, dem ersten bei dieser WM, nicht schon genug, hat der Fußball noch ein zweites Spektakel aufgeführt. Auch zwischen den Niederlanden und Argentinien fiel nach einem epischen 2:2 so die Entscheidung. Und zwar: Lionel Messis Traum vom letzten noch fehlenden Titel lebt weiter, denn sein Team gewann den Shoot-out mit 4:3 – auch der Maestro war unter den erfolgreichen Schützen, außer ihm noch Paredes, Montiel und Martinez. Für Louis van Gaal, den kultigen Trainerkauz auf der Gegenseite, ist das Turnier vorbei. Argentinien trifft im Halbfinale nun auf Kroatien.
Zunächst war es ganz der Abend von Lionel Messi. Er ist 35, in seinem Verein, bei Paris Saint-Germain, altert er vor sich hin. Doch bei der WM und im argentinischen Nationaltrikot unternimmt er eine Zeitreise zurück in die Blüte seiner Jahre. Das Viertelfinale gegen Argentinien war über weite Strecken Messis Hochamt. Seine Wege verfolgten die Zuschauenden mit liebendem Auge. Ballannahmen, Sprints, Drehungen – jede Aktion wurde mit einem Raunen oder Juchzen unterlegt – besonders natürlich sein Auftritt in der 35. Minute, der auch noch in der dritten Wiederholung oben auf den vier Videowänden für Begeisterung sorgte. Der Pass, der die gut gestaffelte niederländische Abwehr um das Weltwunder Virgil van Dijk durchschnitt, fand Nahuel Molina, der den Ball am herausstürzenden Torhüter Andries Noppert vorbei ins Eck außenristelte. 1:0 für Argentinien.
Lionel Messi blieb auch in der zweiten Halbzeit im Zentrum des Spiels. Mit einem Freistoß (63.) aufs Netz näherte er sich dem zweiten Treffer an – der aber bald folgte. In der 71. Minute wurde Acuna bei einem Dribbling in den holländischen Strafraum gelegt. Klarer Strafstoß. Obwohl er neulich gegen Polen einen verschoss, übernahm Messi die Exekution: 2:0 (73.). Der Abend schien gelaufen – auch wegen der Kulisse: 40 000 Argentinien im mächtigen Lusail Stadium, auch die Sympathien der arabischen Zuschauer gehörte den Südamerikanern.
Unter die weiß-blauen Streifen mischten sich nur ein paar Tupfer Oranje. „Ich bin stolz, dass wir 1400 Leute hier haben“, hatte Louis van Gaal am Vortag gesagt, doch es waren nur zwei- bis dreihundert Niederländer im riesigen Lusail Stadium. „Meine Spieler sind professionell genug, damit umzugehen“, meinte der Bondscoach.
Ihnen gelang das Comeback – durch Wout Weghorst. Der Ex-Wolfsburger hatte sich in der ersten Hälfte von der Bank aus Gelb eingehandelt, als er reindurfte, machte er Rabatz. Kopfball zum 1:2 (83.), letztes Glied in einer Freistoßtrick-Kette zum 2:2 (90.+11). Verlängerung in einer aus den Fugen geratenen Partie mit diversen Rudelbildungen. Und noch mehr als Verlängerung.