München – Heiner Thorborg ist einer der führenden Headhunter und Personalberater im deutschsprachigen Raum. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der Experte über die aktuelle Personalsituation der DFL und des DFB.
Donata Hopfen ist nach nur 341 Tagen als DFL-Geschäftsführerin wieder entmachtet. Sie sagte, ihr habe der Rückhalt gefehlt. Hatte Sie als Frau in der Männerdomäne Fußball überhaupt eine faire Chance?
Als ich las, dass sie die Nachfolgerin von Christian Seifert werden sollte, war ich sehr überrascht. Meines Wissens nach hat sie überhaupt keine Nähe zu diesem Sport. Davor hatte Sie Positionen in kleineren Start-ups, in denen sie kurze Zeit war. Sie war auch bei Springer. Daraus zu schließen, dass sie die Aufgabe bei der DFL wuppen kann, ist nicht nachvollziehbar für mich. Da würde sich jeder schwertun – egal, ob Mann oder Frau. Einerseits braucht man für Jobs dieser Kategorie Kompetenz und andererseits Persönlichkeit. Wenn es so schnell zu Ende geht, wie bei Frau Hopfen, dann ist fast immer die Persönlichkeit der Grund dafür.
War ihr Scheitern vorprogrammiert?
Ich erinnere sie nicht als hochempathische Frau. Meiner Erinnerung von vor ungefähr drei Jahren nach ist sie sehr kopfgesteuert und analytisch. Herrn Seifert kenne ich auch persönlich. Deswegen habe ich zu beiden Personen eine eigene Meinung. Er hat alles mit Herz gemacht. Ich glaube, bei Frau Hopfen war das nicht der Fall. Bei ihr ist alles kühler. Es dürfte schon nach wenigen Monaten klar gewesen sein, dass der Job bei der DFL nichts für sie ist.
„Es wäre nicht schlecht, eine Geschäftsführung zu installieren, die nicht komplett fußballfremd ist“, sagte DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke. War Hopfen nur eine Quotenfrau?
Das glaube ich nicht. Das wäre nicht nötig gewesen. Ich glaube, dass die DFL-Entscheider die Idee, eine Frau dazu zu holen, gut fanden. Ich würde das in diesem Fall nicht auf das Geschlecht beziehen. Die Persönlichkeit hat nicht gepasst. Das ist bitter. Herr Seifert hat eine hohe Empathie. Der Job ist eine diffizile Aufgabe. Man muss die Männer bei der DFL entsprechend behandeln. Ich glaube, dass Frau Hopfen daran gescheitert ist. Sie hat versucht, durchzumaschieren.
Nun will Watzke sich mit Kollegen selbst auf die Suche machen und nicht wieder Headhunter auf die Jagd schicken.
Nach zwölf Monaten ist die Personalberatung, die Frau Hopfen empfohlen hatte, in der Pflicht. Die muss kostenlos Ersatz suchen. Den Aussagen von Watzke zufolge, dürfte es aber ein Zerwürfnis zwischen der DFL und der Personalberatung gegeben haben. Watzke & Co. sind offenbar wahnsinnig enttäuscht, dass es nicht geklappt hat.
Welche Eigenschaften muss der Nachfolger von Frau Hopfen mitbringen?
Er oder sie muss erstens viel Empathie haben. Die Menschen müssen die Person mögen. Sie muss innerlich sehr stark sein und unabhängig bleiben, ein hohes Maß an Diplomatie anwenden. Nur wenn Sie die Leute überzeugen, kann es funktionieren.
Auch der DFB ist nach der WM in der Krise. Wie haben Sie den ehemaligen Direktor Oliver Bierhoff während dem Turnier wahrgenommen?
Er war schon sehr lange in diesem Job. Er hat nicht nur als Fußballer, sondern auch als Sportdirektor seine Verdienste. Ich muss dazusagen, ich habe die WM nicht geguckt. Man hat alles gewusst. Dass die FIFA verrottet und korrupt ist, weiß man. Ich bin enttäuscht, dass der DFB nicht in der Lage war, Rückgrat zu zeigen und zu sagen: „Lieber Herr Infantino, wir werden die One-Love-Binde tragen und auch den Rest der Nationen davon überzeugen. Dann gebt uns doch die Gelbe Karte.“ Der DFB ist der größte nationale Sportverband der Welt, er hat also Gewicht. Herr Bierhoff hätte DFB-Präsident Neuendorf in dieser Causa den Rücken stärken sollen. Für dieses Einknicken habe ich null Verständnis.
War der anschließende Kompromiss der Mund-zu-Geste typisch deutsch?
Typisch deutsch wäre gewesen, wir hätten Infantino unseren Stinkefinger gezeigt.
Bierhoff wurde von der Öffentlichkeit zum Sündenbock abgestempelt. Hätte er damit überhaupt eine Chance gehabt, in seinem Amt zu bleiben?
Das hängt von denen ab, die die Entscheidungen treffen. Ich weiß nicht, welches Ansehen Bierhoff zuletzt intern noch gehabt hat. Aber als Chef eines Unternehmens muss man nach außen hinter seinen Leuten stehen. Wenn Bierhoff in den Medien niedergemacht wird, muss ich mich als oberster Chef davorstellen und ihn in Schutz nehmen. Was hinterher passiert, ist eine andere Sache. Wenn Unternehmen Führungskräfte loswerden wollen, wird deren Vertrag meist noch vorher verlängert und dann verlässt derjenige die Firma im gegenseitigen Einvernehmen. Bei Bierhoff war das kein guter Stil. Das macht man anders.
Was muss eine Führungspersönlichkeit beim DFB charakterlich mitbringen?
Ich würde keinen auf den Posten setzen, der mit Sport wenig am Hut hat. Das wäre per se eine Fehlbesetzung. Es müsste jemand sein, der die Charakteristika eines guten Managers mitbringt: Transparenz, Wertschätzung gegenüber seinen Gesprächspartnern, Offenheit, es sollte auch ein guter Zuhörer sein. Dann werden Sie sehen, dass es sehr gut läuft. Die Umgebung muss merken, dass man seinem Job mit Leidenschaft nachgeht. Man muss alle Leute mitnehmen. Der Stil, von oben nach unten zu führen, ist vorbei.
Interview: Philipp Kessler