Al-Rayyan – König des Fußballs ist Lionel Messi ohnehin, das hat er mit seinen Posen beim Viertelfinal-Sieg im Elfmeterschießen gegen die Niederlande deutlich gemacht. Seine Krone hat 41 Zacken, der Weltmeister-Titel wäre die 42. – und der Fußballer mit 35 Jahren vollendet. Lionel Scaloni, sein Nationaltrainer in Argentinien greift dem, was in der letzten Woche in Katar noch passieren kann, vor: „Leo ist der Beste aller Zeiten, das beweist er hier.“
Ein großartiger Spieler, ja, das ist er. Sein fünftes WM-Turnier bringt noch einmal den jungen Messi hervor, der die Zuschauerschaft mehr fasziniert als jeder andere, und der auch weiß, was das Land von ihm hören will. „Diego sieht uns von oben zu, er treibt uns an.“ Argentinien ist Maradona-gläubig über den Tod hinaus und hat es gerne mystisch. Schon wegen der Verbindung der alten zur neuen Nummer 10 wünschen viele Messi, dass er nun Weltmeister wird. Doch es mehren sich auch Stimmen, die ihm die charakterliche Güte absprechen, um am kommenden Sonntag im Lusail Stadium den Weltpokal entgegenzunehmen. Messi, ein Mann, der lange nur über die Kunst seines Spiels wahrgenommen wurde, den man nie sprechen hörte, setzt nun kommunikative Akzente – aber keine feinen: Im Spiel baute er sich, die Hände an die Ohren gelegt, vor der niederländischen Bank auf, vor laufenden Kameras in der Zone für die Blitz-Interviews nach dem Spiel fegte er den Holländer Wout Weghorst an: „Was guckst du, Dummkopf?“ Weghorst, der Ex-Wolfsburger, schoss (inklusive Elfmeter) drei Tore, eins mehr als Messi. Und er war nicht nur Vollstrecker beim späten 2:2, sondern auch Importeur der Freistoßidee.
Was den Argentiniern bei aller Spielstärke gefährlich werden könnte, ist ihre leichte Erregbarkeit. Sie waren tief beleidigt von relativ harmlosen Aussagen von Louis van Gaal. Der hatte im Vorfeld angemerkt, dass Messi sich am Spiel ohne Ball kaum beteilige und ein Elfmeterschießen den Niederlanden als dem kleineren Team entgegenkomme. „Van Gaal verkauft es so, dass sie gut Fußball spielen, und dann schlagen sie nur die Bälle“, ätzte Messi.
Der Entertainer van Gaal hat die WM verlassen – nicht ohne für sich zu werben: „Es war ein Notfalleinsatz. 20 Spiele, keine Niederlage – und googeln Sie ,Dutch team van Gaal’“, Sie finden ein fantastisches Torverhältnis.“ Auch mit 71 wäre er für ein Nationaltrainer-Jobangebot irgendwo offen: „Ich sehe wundervoll und viel jünger aus.“ Argentinien bleibt im Turnier. Messi wird im Halbfinale gegen Kroatien Lothar Matthäus als Rekordspieler überholen, es ist sein 26. WM-Match. Doch ohne ein glückliches 27. wäre für ihn alles nichts. GÜNTER KLEIN