Al-Khor – Die WM bekommt ein Traumfinale. Große südamerikanisch gegen große europäische Fußball-Nation, beide mit Weltmeistertiteln dekoriert. Einen Abend nach Argentinien zog auch der 2018er-Champion Frankreich ins Endspiel am Sonntag (16 Uhr) ein, er gewann sein Halbfinale gegen den renitenten Außenseiter Marokko mit 2:0 (1:0). „Ich bin sehr stolz. Das war wieder wichtig und gewaltig aber ein Spiel kommt noch“, sagte Trainer Didier Deschamps, der 1998 als Spieler und vor vier Jahren auch als Trainer Weltmeister geworden war. „Wir streben wieder den Titel an. Wunderbar!“
Für WM-Gastgeberland Katar ist die Endspielbesetzung eine helle Freude, denn mit seinem Besitztum Paris Saint-Germain ist es auf argentinischer (Lionel Messi) wie französischer Seite (Kylian Mbappé) herausragend vertreten.
Marokko legte alle verfügbaren Emotionen in dieses Match. Das Abspielen der Nationalhymne war ein Ereignis, Trainer Walid Regragui schrie mehr, als er sang. Die Spieler hatten die Hand aufs Herz gelegt. Doch dann trat das Szenario ein, das die Nordafrikaner in diesem Turnier noch nicht erlebt hatten: Sie gerieten in Rückstand und fingen dabei ein Tor, das kein Eigentor war (wie gegen Kanada beim bislang einzigen Gegentreffer).
Und es zeigte sich dabei, wie eine gut organisierte Abwehr aus den Fugen geraten kann. Antoine Griezmann huschte in seiner neuen Rolle als Mittelfeldspieler in der 5. Minute durch die Verteidigungskette, der rustikale Amrabat rutschte weg, Kylian Mbappé kam zweimal zum Schuss, der geblockt wurde, doch der aufgerückte linke Verteidiger Theo Hernandez stand frei und vollendete die französische Aktion per Scherenschlag zum 1:0.
Marokko war früh vor die Aufgabe gestellt, Druck aufzubauen, und wenn man geglaubt hätte, das könne diese Mannschaft gar nicht, wurde man widerlegt. Frankreichs Torwart Hugo Lloris bekam zu tun: In der 10. Minute bei einem raffinierten Schuss von Ounahi, in der 44. bei einem Fallrückzieher von El Yamiq, den Lloris mit einer Glanzparade an den Pfosten lenkte. Frankreich hatte zwei Stammspieler ersetzen müssen: Adrien Rabiot, sein Fehlen schmerzte, denn er ist der Organisator im Mittelfeld.
Für den Münchner Dayot Upamecano, dessen Deschamps am Tag zuvor noch hervorgehoben hatte („Früher war er schüchtern, jetzt strahlt er Gelassenheit aus“) reichte es nach einem Infekt erst mal nur für die Bank. Die Franzosen nutzten ihre Freiräume, liefen Konter, einmal Giroud (17.) und dann Mbappé und erneut Giroud mit einer Doppelchance (36.) hätten die Führung ausbauen können.
Es war definitiv ein Spiel der Schmerzen: Marokko hatte die angeschlagenen Saiss und Mazraoui vom FC Bayern aufgestellt, die nicht lange durchhielten und ersetzt werden mussten. Bei Frankreich wurde Starspieler Mbappé hart rangenommen, nach einer (regelgerechten) Grätsche von Amrabat musste er behandelt werden.
Marokko spielte wie um sein Leben – ohne die Struktur zu verlieren. Kombinierte sich in den Strafraum der Franzosen. Starke Teamleistung, doch individuell war der Weltmeister besser. Kleine Zauberei von Mbappé – und der gerade eingewechselte Frankfurter Kolo Muani mit dem 2:0 (79.).