München – Ein besseres Weihnachtsgeschenk könnte es für Boris Becker kaum geben. Weniger als acht Monate nach seinem Haftantritt im Huntercombe-Gefängnis westlich von London ist die Tennis-Legende angeblich vorzeitig in die Freiheit entlassen worden. Um einen Promi-Bonus für Becker, der in Großbritannien auch als BBC-Kommentator sehr beliebt ist, handelt es sich allerdings nicht.
Doch der Reihe nach… Gestern um 15 Uhr wurde Beckers Ankunft am Flughafen in München erwartet, er tauchte dort allerdings nicht auf. Stattdessen soll sein Flug zurück in die Freiheit aufgrund von Eisregen nach Oberpfaffenhofen umgeleitet und dort auch gelandet sein. Pikant: Eingeflogen wurde Becker laut Medienberichten per Privatjet – laut RTL bezahlt von der Sendergruppe ProSiebenSat.1. Der Grund: Angeblich wird Becker dem TV-Sender direkt nach seiner Rückkehr ein exklusives Interview geben, das am Sonntag um 20.15 Uhr ausgestrahlt werden soll. Das Gespräch mit dem Tennis-Star könnte Steven Gätjen führen. Der soll nach Informationen der „Bild“ mehrfach mit Beckers Freundin Lilian de Carvalho Monteiro in der Nähe des Huntercombe-Gefängnisses gesehen worden sein. Für Becker sollen bei dem Deal rund eine halbe Million Euro rausspringen. Zudem kündigte der Streamingdienst Apple TV+ an, dass eine Dokumentation über Becker entstehen soll und „alle Aspekte des Mannes“ beleuchtet werden.
Gil Bark-Jones, Anwalt von Becker und ein Sendersprecher wollten die Berichte über Beckers Freilassung und dessen geplantes Interview zwar zunächst nicht bestätigen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Boris das Geld dringend brauchen könnte. Denn dass der dreifache Wimbledon-Sieger die Finanzspritze des Privatsenders für eigene private Zwecke nutzen darf, erscheint mehr als fraglich
Zur Erinnerung: Ende April dieses Jahres war Becker zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Nachdem er 2017 gerichtlich für zahlungsunfähig erklärt worden war, musste er den Insolvenzverwaltern sein Vermögen offenlegen. Doch dabei ließ er nach Ansicht des Gerichts wichtige Teile aus. Nach britischem Recht muss Becker eigentlich mindestens die Hälfte der Strafe absitzen, bevor er auf Bewährung entlassen werden kann. Das wäre Ende Juli 2023 der Fall. Da der 55-Jährige aber nicht britischer Staatsbürger ist, konnte er von einem Schnellverfahren profitieren, mit dem ausländische Häftlinge schneller abgeschoben werden sollen, um den Druck auf die überfüllten britischen Gefängnisse zu lindern.
Zurück in Deutschland droht vorerst keine Strafverfolgung. „In dem Moment, in dem Herr Becker in Deutschland landet, ist seine Strafe abgeschlossen. Es wird keine zusätzlichen Auflagen geben“, sagte Alex Robertson vom britischen Innenministerium der „Bunte“. Wie geht es für Becker in Freiheit nun weiter? Nach seiner Abschiebung darf er aller Voraussicht nach längere Zeit nicht nach Großbritannien einreisen, obwohl dort seine Partnerin wohnt. Der Zeitung „Mirror“ zufolge gilt das Einreiseverbot mindestens so lange, wie seine eigentliche Strafe gewährt hätte, also bis Ende Oktober 2024. Offen ist bisher auch, ob Becker sich an bestimmte Bewährungsauflagen zu halten hat. Dabei werde in der Regel vorgeschrieben, dass ein Wohnortwechsel bei den Behörden anzuzeigen ist, sagt Rechtsanwältin Gül Pinar, Mitglied des Ausschusses Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Doch hier könnte Becker der Brexit zugutekommen. Seit dem britischen EU-Austritt könnten etwaige Bewährungsauflagen nicht mehr auf der Grundlage von EU-Recht in Deutschland überwacht werden, teilte das Bundesjustizministerium auf Anfrage mit. „Eine isolierte Vollstreckung von Bewährungsauflagen sehen andere völkervertragliche Rechtsgrundlagen nicht vor“, hieß es weiter.