Auch am Tag danach musste man den Kopf schütteln, wenn man noch einmal die Szene sieht, wie sich Emir Tamim bin Hamad Al Thani an Final-Held Messi heranwanzt und ihn regelrecht dazu nötigt, sich den traditionellen schwarzen Bischt umzulegen. Die von langer Hand orchestrierte Aktion war die Kirsche auf der PR-Torte, die der WM-Gastgeber in den vergangenen Wochen gebacken hat. Nicht alle, aber viele der Bilder, die in die Sporthistorie eingehen werden, sind auf ewig mit dem Katar-Gewand verbunden. Messi war davon genauso irritiert wie viele TV-Zuschauer. Selbst seine Hände zog der Emir ihm fast übergriffig durch den dafür vorgesehenen Durchschlupf.
Dafür, dass der Argentinier dieses unwürdige Schauspiel nicht unterbrach, kann man ihn wegen seines Anstands loben. Wenn man herummäkeln will – und darin waren wir Deutschen in den vergangenen Wochen und Monaten wahrlich weltmeisterlich – könnte man auch kritisieren. Warum hat Messi kein Zeichen gesetzt? Warum hat er das Ding nicht früher ausgezogen? Aber in diesem Moment wäre diese Forderung wohl ein wenig kleingeistig und zu hoch gegriffen. Insbesondere bei Messi, der zwar privat nicht für Skandale sorgt, der sich in Paris aber fürstlich mit Scheich-Geld entlohnen lässt und dessen Name auch in den berühmten Panama Papers, einer Investigativ-Recherche über Offshore-Konten, auftaucht. Kurz gesagt: Messi ist kein Sócrates. Eingehüllt in den schwarzen Bischt, war er dennoch definitiv das Opfer einer Situation, die sinnbildlich für diese Weltmeisterschaft steht – über der ein dunkler Schleier liegt. Und bei der es FIFA-Boss Gianni Infantino und seine Katar-Kumpel tatsächlich noch geschafft haben, selbst diesem elektrisierenden Fußballabend ihren Stempel aufzudrücken.
Ein Hinweis sei bei all der berechtigten Aufregung aber noch angebracht: In München gibt es ein kleines, feines Tennisturnier, das in den vergangenen Jahren unter anderem Andy Murray, Alexander Zverev und Holger Rune gewinnen konnten. Auf den Siegerfotos tragen sie alle eine Lederhose. Die bekommt der dortige Champion seit einigen Jahren nämlich überreicht. Das geschieht aber natürlich nicht so hinterhältig wie beim gestrigen Umhang-Überfall. Ein weiterer Unterschied zum Wohle der Spieler: Turnierdirektor Patrik Kühnen hilft nicht beim Anziehen.
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