„Wir müssen die Euphorie neu entfachen“

von Redaktion

TSV 1860 Mittelfeld-Antreiber Rieder über den Start im Schnee, das verkorkste Hinrunden-Ende und den Aufstieg

Wie nach Hause kommen sei die Rückkehr zu den Löwen im Sommer gewesen, sagt Tim Rieder. In Kaiserslautern (2020/21) und bei Türkgücü (2021/22) ist der Dachauer nie richtig heimisch geworden, dafür umso mehr beim TSV 1860, seinem Herzensverein. Einen Stammplatz im defensiven Mittelfeld hat er, in den ersten 17 Saisonspielen fand er sogar teilweise den Weg in den gegnerischen Strafraum (zwei Tore). Was zu Rieders absolutem Glück noch fehlt, ist der Aufstieg in die 2. Liga. Darüber und über andere aktuelle Themen sprachen wir mit dem 29-Jährigen.

Tim Rieder, haben zwölf Tage in Thailand gereicht, um die Akkus wieder aufzuladen?

Auf alle Fälle. Am Schluss war ich froh, als es zurück nach Deutschland ging. Meine Vorfreude war riesengroß, dass es wieder losgeht.

So heiß auf die Wintervorbereitung?

Ja, die Zeit hat super ausgereicht, dass man sich erholt. Die ersten Läufe habe ich noch auf Ko Samui absolviert, aber irgendwann wollte ich zurück auf den Platz. Wir haben ja noch einiges vor in dieser Saison.

Am Strand auf Ko Samui haben Sie bestimmt auch noch mal über den Verlauf der Hinrunde nachgedacht. Woran liegt’s, dass es nach dem Startrekord sportlich bergab ging?

Ich denke gar nicht, dass es sportlich bergab ging, eher ergebnistechnisch. Wenn ich an Saarbrücken (0:1/Red.) oder Essen (1:1) denke – da lief einiges unglücklich. Zu Beginn hatten wir das Glück auf unserer Seite, zum Beispiel in Verl (1:0 in der Nachspielzeit). Auch Osnabrück war glücklich, wo wir einen 2:0-Sieg ziehen, obwohl wir nur hinten drin gestanden sind. Ich denke, dass du jedes Geschenk, das du bekommst, über die Saison gesehen wieder abgeben musst. Bei uns war das leider der Fall. Deswegen kam die Winterpause gerade recht. Jetzt können wir uns neu sortieren.

Der Absturz aus den Aufstiegsrängen muss hart gewesen sein.

Klar ist es enttäuschend, dass wir jetzt nur auf Platz sechs liegen. Nur in Anführungszeichen. Vor der Saison hätte sicher jeder unterschrieben, dass wir mit drei Punkten Rückstand auf Platz zwei überwintern. Das Gute ist: Wir hatten einen großen Vorsprung und haben uns nicht allzu viel kaputt gemacht. Wir haben es weiter selbst in der Hand. Jetzt hat jeder Bock drauf, wieder anzugreifen.

Wie äußert sich das?

An der Stimmung auf dem Platz. Die war schon etwas gedrückt vor der Pause. Im Urlaub konnte jetzt jeder durchschnaufen. Auch der Trainer wirkt gut erholt. Er ist braun gebrannt und macht einen gelassenen Eindruck.

Aufbruchstimmung?

Ein wichtiges Zeichen ist für mich, dass jeder im Urlaub seine Hausaufgaben gemacht hat. So tust du dich leichter, wenn’s wieder los geht. Du musst nicht auf dem Trainingsplatz gewisse Sachen aufholen, sondern kannst gleich ins Taktische gehen.

Der Trainer hat ja „Vollgas ab dem ersten Tag“ angekündigt. Hat er auch konkrete Dinge verändert?

Das Aufwärmen ist ein bisschen anderes. Zudem gibt es neue Spielformen – und andere Zeiten. Vor der Pause wusstest du: Dienstag machen wir meistens das, Mittwoch das. Jetzt kannst du dich nicht mehr komplett darauf einstellen, das schärft zusätzlich die Sinne.

Weil Sie das Taktische ansprachen: Welche Änderungen sind da zu erwarten?

Noch kann ich dazu nicht viel sagen. Angekündigt ist aber, dass wir im Trainingslager ein paar Dinge anreißen. Zuletzt haben wir meistens im 4-1-4-1 gespielt. Kann sein, dass sich da was verändert.

Haben Sie Präferenzen?

Als alleiniger Sechser komme ich gut zurecht, aber ich fühle mich auch wohl, wenn wir mit zwei Sechsern spielen. Dann kann ich mich mehr nach vorne einschalten. Letztlich fühle ich mich in beiden Systemen wohl, und am wohlsten in dem, in dem wir Spiele gewinnen (lacht).

Nach Ihrer Rückkehr im Sommer hatten Sie ja wie die Feuerwehr losgelegt – gleich mit einem Tor beim 4:3-Sieg in Dresden. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer persönlichen Bilanz der ersten 17 Spiele?

Mit meinem Start war ich sehr zufrieden. Durch meine Rote Karte (beim 3:1 gegen Halle/Red.) kam dann ein kleiner Bruch rein. Ich hab danach ein paar Spiele gebraucht, um wieder reinzukommen, aber zum Schluss gegen Essen, da konnte ich wieder meine ganze Aggressivität auf den Platz bringen. Ich bin nicht unzufrieden, wie es lief, aber es gibt sicher noch Luft nach oben.

Im Belek-Trainingslager kommt es zum Duell mit Ihrem Ex-Verein. Kann sich 1860 den FCK zum Vorbild nehmen?

In erster Linie muss man auf sich selbst schauen, aber klar: Lautern hatte auch eine Saison mit Höhen und Tiefen. Jede Mannschaft durchlebt Phasen, in denen es nicht so läuft. Ich hoffe sehr, dass wir unsere jetzt hinter uns haben.

21 Spiele sind es noch. Worauf wird es ankommen?

Der Start wird sehr wichtig sein. Wir müssen wieder das Gefühl kriegen, Spiele gewinnen zu können – und die Euphorie im Verein neu entfachen. Alle müssen zusammenstehen, auf dem Platz und außerhalb – damit wir am Ende das große Ganze kriegen.

Ist es für die Köpfe besser, wieder in der Rolle des Jägers zu sein?

Ehrlich gesagt habe ich mich nie als Gejagter gefühlt. Allerdings bin ich auch kein Typ, der jede Woche auf die Tabelle schaut. Abrechnet wird im Mai, und bis dahin ist es noch ein sehr, sehr langer Weg.

Mit wem rechnen Sie bis zum Schluss im Aufstiegskampf?

Mal sehen, wie Elversberg aus den Startlöchern kommt. Saarbrücken kann gefährlich werden – die stehen defensiv sehr gut. Im Moment steht Saarbrücken auf Platz drei – da können sie gerne bleiben (lacht).

Im Sommer hatten Sie ja betont, wie happy Sie sind, zurück bei 1860 zu sein. Sind Sie gekommen, um zu bleiben?

Von meiner Seite aus hätte ich nichts dagegen, meine Karriere bei 1860 zu beenden. Und am liebsten dann eine Liga weiter oben. Aber jetzt müssen wir erst mal gut aus der Winterpause kommen und unsere Spiele gewinnen.

Interview: Uli Kellner

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