München – Die Rückreise war lang, die Beine schwer, aber auf dem Balkon des Hotels „Crillon am Place de la Concorde“ sahen die französischen Vizeweltmeister immerhin nicht mehr ganz so enttäuscht aus. Tausende Fans hatten im 8. Pariser Arrondissement bis in die Abendstunden ausgeharrt, um Didier Deschamps und sein Team um die drei Bayern Dayot Upamecano, Kingsley Coman und Benjamin Pavard in Empfang zu nehmen. Und sogar Pavard huschte ein Lächeln über das Gesicht – dabei war es für ihn nach Abpfiff des Turniers noch schlimmer gekommen als in den persönlich ohnehin schon so enttäuschenden Wochen von Katar.
Wie der französische Journalist Romai Molina (u.a.The Guardion, CNN, BBC) am Tag nach dem verlorenen Finale gegen Argentinien berichtete, soll der Unmut über den 26 Jahre alten Verteidiger in der „Équipe Tricolore“ groß gewesen sein – und die Vorwürfe enorm. So soll Pavard, der lediglich im Auftaktspiel gegen Australien zum Einsatz gekommen und danach auf die Bank verbannt worden war, sich mehrfach despektierlich über seine Mannschaftskollegen geäußert haben. Der Graben zwischen dem Bayern und seinem eigentlichen Förderer Didier Deschamps ist im Laufe der WM so groß geworden, dass es vor dem Endspiel angeblich zur Eskalation kam. Pavards Verhalten, so heißt es, habe intern zu einer toxischen Atmosphäre geführt, die viel Unruhe brachte.
Während des Finales sah man den Defensivspieler – auf seinem Stammplatz Reservebank – viel reden. Und angeblich sollen auch beim Abschluss im Lusail-Stadion unschöne Worte über seine Kollegen auf dem Feld gefallen sein. Pavard war da längst egal, was andere über ihn denken, denn das Bild, das sein Team von ihm hat, konnte er ohnehin nicht mehr geraderücken. Viele Mitspielern nämlich haben seine Rolle als Deschamps’ Liebling schon lange kritisch beäugt – und fühlten sich nun bestätigt. Die nicht mehr als durchschnittliche Leistung und die Anzahl der Einsätze hätten noch nie zusammengepasst, sagen die meisten. Sie freuten sich, als Deschamps Pavard nach dem Australien-Spiel – wegen missachteter taktischer Vorgaben – aus der Elf nahm.
Pavard hingegen stichelte immer mehr, je länger er auf der Bank saß. Dass er von seinen Mannschaftskollegen auch beschuldigt wird, Interna bewusst an ihm nahestehende Journalisten weitergegeben zu haben, kommt erschwerend hinzu. Eine unschöne Art, mit Enttäuschung umzugehen – entspricht sie der Wahrheit? Nach Informationen unserer Zeitung bestreitet das Pavard-Lager die Anschuldigungen. Man wittert sogar eine Kampagne gegen den Franzosen, der allerdings seit Monaten, also seit Beginn der Saison einen unglücklichen Gesamtauftritt hinlegt.
Auch im Trikot des FC Bayern ist Pavard bekanntlich unzufrieden. Und so verging vor der WM keine Woche, in der er seine Wechselgedanken nicht über irgendein Medium verlauten ließ. Zeit für etwas Neues, hieß es am Anfang; ein öffentlicher Flirt mit dem AC Mailand wurde es dann. Die Message „Weg aus München!“ ist angekommen, eine Vertragsverlängerung kein Thema. Im Sommer, bei der erhofften Meisterfeier auf dem Marienplatz, wird er trotzdem lächeln.