Engelberg – Norwegische Skispringer machen mitunter verrückte Sachen. Oben an der Sprungschanze stellten sie im Sommer ein Rad hin, ein bisschen wie beim Roulette. Sie drehten das Rad, es kam eine Weite heraus und dorthin sollten die Springer fliegen – punktgenau, ein Zielspringen. Wer am nächsten an die Weite herankam, hatte gewonnen. Die Wettbewerbe klingen kurios. Sie könnten aber auch Teil der Skisprung-Zukunft sein.
Groß denken – so lautet Das Motto von Norwegens Nationalcoach Alexander Stöckl, wenn er über die Entwicklung seines Sports spricht. Der 49-Jährige hat schon Springer zu Olympiasiegern und Gesamtweltcupgewinnern geformt. Und er ist der Meinung: Skispringen muss sich verändern und in vielen Bereichen offen für Neues sein. Für neue Formate zum Beispiel, die vor allem fernsehtauglich sein müssen. Aber nicht nur dafür.
„Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir versuchen, ein Ganzjahresdenken reinzubringen“, sagt Stöckl. „Und ich glaube auch, dass es gut ist, wenn wir wegkommen von dem Begriff Wintersport. Ich glaube, dass wir eine Extremsportart sind und dass man sie egal wo und egal wie machen kann.“
Was der Österreicher damit meint, konnte man zu Beginn dieser Saison sehen. Wegen der Fußball-WM sollte der Weltcup früher starten, also landeten die Springer Anfang November in Polen auf Matten statt auf Schnee.
„Wir haben das Glück, dass wir die Mattenschanzen haben, dass das machbar ist und dass wir keinen Schnee brauchen“, sagt Stöckl auch mit Blick auf den Klimawandel. Er glaubt: „Entweder wir nennen uns weiter Wintersport und sterben im Winter – weil den gibt es irgendwann nicht mehr. Oder wir nennen uns Extremsport und sind offener für neue Destinationen.“
Neben der Flexibilität in Bezug auf den Klimawandel eröffnet die im Vergleich zu anderen Wintersportarten relativ große Unabhängigkeit der Skispringer vom Schnee noch eine weitere Option. Hat man sich einmal an das Bild von Skispringern, die auf Matten landen gewöhnt, wären Wettkämpfe an vielen Orten denkbar.
„Wie wäre das, wenn in zehn Jahren Kinder auf der ganzen Welt davon träumen würden, 250 Meter auf Ski zu fliegen – und nicht nur die, die in Europa oder in Amerika Ski fahren?“, fragt Stöckl. „Und das geht, weil wir überall Mattenschanzen hinstellen können.“ Skispringen in Afrika, Australien oder Südamerika also?
Zumindest nachdenken muss erlaubt sein, findet Stöckl. „Es ist wichtig, dass wir größer denken, um vielleicht einen kleinen Schritt zu machen.“ dpa