München – Sie ist schon seit längerem die große Hoffnungsträgerin der deutschen Langläufer. Zu Recht wie Katharina Hennigs Olympiasieg im Teamsprint von Peking zeigte. In die am Samstag in Val Müstair beginnende Tour de Ski würde sie im erweiterten Favoritenkreis starten. Wenn es die Erkältung zulässt, die die 26-Jährige in den letzten Tagen plagte.
Frau Hennig, nach Ihrem siebten Platz in Beito- stölen las man „Hennig verpasst Podest“. Die Ansprüche scheinen gestiegen zu sein …
(lacht) Ja, offenbar. Wobei ich selbst sagen muss: Ich habe in dieser Saison schon zwei Podestplätze, das ist ein absoluter Traum für mich. Und ich will es genießen, solange es so gut läuft.
Vor der Tour de Ski sind Sie Sechste des Gesamt-Weltcups, in der Distanzwertung sogar die Nummer vier und damit im Kreis der Mitfavoriten. Dabei hatten Sie kurz vor der Saison noch eine Pause wegen einer Corona-Infektion einlegen müssen.
Auch deswegen hätte ich nie geglaubt, dass es für mich schon so weit reichen kann. Aber man muss schon sagen: Da sind schon viele Läuferinnen, die auf diesem Niveau viel mehr Erfahrung haben als ich. Und jetzt war ich auch noch erkältet und werde vermutlich ein paar Rennen brauchen, um in Schwung zu kommen. Insgesamt wäre ein weiterer Top-10-Platz in der Gesamtwertung mein Ziel.
Immerhin sind Sie nun Olympiasiegerin und stehen damit anders im Blickpunkt. Bedeutet das eher Druck oder Antrieb?
Na ja, die Aufmerksamkeit ist natürlich gestiegen. Aber ich habe von Anfang an versucht, das eher als Antrieb zu sehen. Und ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen. Die Vici (Victoria Carl, d. Red.) hat ja auch einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das macht es natürlich auch noch einmal leichter, wenn man jemanden an der Seite hat, der auch immer gute Ergebnisse bringen kann.
Sind die Medaillen vielleicht genau die Erfolgserlebnisse, die Sie für den nächsten Entwicklungsschritt gebraucht haben?
Ich habe gelernt, dass im Langlauf alles seine Zeit braucht. Du bewegst dich in kleinen Schritten vorwärts. Und das ist in diesem Jahr passiert. Wobei Peking sicher nicht geschadet hat.
Die Ergebnisse sind auch eine Bestätigung für die Philosophie von Bundestrainer Peter Schlickenrieder, der unter anderem von Ex-Coach Jochen Behle immer wieder kritisiert worden ist, weil er auf Eigenverantwortlichkeit denn auf die harte Hand setzt. Haben sich die Zeiten im Langlauf geändert?
Als junge Athletin im Nachwuchsbereich brauchst du sicherlich mehr Führung und auch eine gewisse Härte. Aber je älter du wirst, umso mehr ändert sich das. Natürlich geben die Trainer die Richtung vor. So wie in meinem Fall mein Heimtrainer Stefan Dotzler oder der neue Cheftrainer Damen, Per Nilsson. Aber es wird immer wichtiger, dass du deine sportliche Arbeit mit entwickelst. Denn du bist ja auch die, die draußen in der Loipe dahinterstehen muss.
Ähnlich wie die Biathleten haben auch die Langläufer nun mit Nilsson ausländisches Wissen an Bord geholt. Wie ist Ihr Eindruck?
Er ist ein ruhiger Trainer, mit dem du aber jederzeit reden kannst. Er will, dass du verstehst, warum du etwas machen sollst. Wobei du ihm auch anmerkst, dass er mit Topathletinnen wie Frieda Karlsson gearbeitet hat. Das merkt man ihm einfach an.
Was bedeutet das inhaltlich? Peter Schlickenrieder sagte, in Deutschland habe man methodisch die Entwicklung verschlafen.
Per setzt schon neue Impulse. Gerade was die Trainingsintensität angeht zum Beispiel. Wir arbeiten in Teilen schon anders als früher.
Speziell bei Ihnen liegt der Fokus weiter klar auf den Distanz- denn auf den Sprintrennen. Gibt es nur ein Entweder- Oder?
Es gibt schon Athleten, die beides können. Aber meine Stärke sind sicher die Distanzrennen. Deren Gewicht ist ja auch durch die Einführung der 50 Kilometer gewachsen. Im letzten Jahr war das anders. Da haben wir mehr im Sprint gearbeitet. Weil man wusste, dass der Teamsprint bei Olympia im klassischen Stil gelaufen wird, was mir ja besser liegt.
Sind die 50 Kilometer eine gute Entwicklung?
(lacht) Ganz ehrlich, ich weiß noch nicht so recht, was ich davon halten soll. Das ist ein ganz schönes Kaliber.
Wann ist diese Saison eine gute Saison für Sie? Wenn es nach den Podestplätzen auch mit einem Weltcupsieg klappt?
Klar wäre das ein Traum. Aber ich versuche, mich nicht an Ergebnissen zu messen. Im letzten Jahr ist es mir gelungen, zum Höhepunkt in der besten Verfassung zu sein. Ich würde mich freuen, wenn das wieder klappt. Bei der Weltmeisterschaft in Planica.
Interview: Patrick Reichelt