München – Der Filmtitel passte, leider. „In tödlicher Mission“ hieß der zwölfte Kinohit von James Bond, gedreht wurde er im Jahr 1981 in Cortina d’Ampezzo, und dort unter anderem auf der Bob- und Rodelbahn. Eine Verfolgungsjagd, ja klar! Diesmal versuchte Roger Moore in jenem Eiskanal, in dem 1956 olympische Medaillen vergeben worden waren, auf Skiern vor Motorrädern zu fliehen, da war es passiert. Ein Schlitten wurde an falscher Stelle aus der Bahn geworfen, ein 23 Jahre alter Stuntman starb. Ein Horrorszenario, im Film wie im Sport.
Auch Thomas Schwab hat schon einen Athleten tödlich verunglücken sehen. 2010 katapultierte der Hochgeschwindigkeitskanal in Vancouver den Georgier Nodar Kumaritaschwili aus einer Kurve, die Rodel-Welt stand still, die Konsequenzen wurden gezogen. Schon bei den Olympischen Spielen in Sotschi, Pyeongchang und Peking wurden die neuen Vorgaben umgesetzt, nach denen eine Höchstgeschwindigkeit von 135 Kilometern pro Stunde nicht überschritten werden darf. Schwab, Sportdirektor des deutschen Verbandes BSD, nennt seinen Job eine „Gratwanderung, weil eine Bahn attraktiv sein soll, aber gleichzeitig nicht gefährlich sein darf“. Der 60-Jährige weiß, wovon er spricht. Schon in die Planung des gigantischen Kanals von Peking war er involviert, aktuell treibt er den Bau des olympischen Kanals von Cortina voran. Er soll genau dort errichtet werden, wo einst James Bond entlang düste. Aber der Zeitplan – Abriss, Neubau – ist schon lange nicht mehr einzuhalten.
„Wir sind weit hinten dran“, sagt Schwab, und fügt hinzu: „Sehr, sehr weit.“ Bewusst schlägt der Berchtesgadener keinen Alarm, er weiß aber sehr wohl, wie ernst die Lage ist. In rund drei Jahren, vom 6. bis 22. Februar 2026, soll auf dem Areal der 1923 errichteten „Pista olimpica Eugenio Monti“ Edelmetall im Rodeln, Skeleton und Bob vergeben werden, aktuell jedoch herrscht: Stillstand. Kein Bagger, keine Bauarbeiter, „wir haben ein Jahr später begonnen als vor den letzten Spielen“. In Peking, wo 500 Millionen Euro in das gigantische „Yanqing National Sliding Center“ investiert wurden, gingen die Arbeiten im Juli 2018 los und dauerten bis November 2020. In Cortina plant man, in drei Monaten mit dem Rückbau der alten Bahn zu beginnen und im Anschluss die Erdarbeiten für den neuen Trakt zu starten. 17 Monate sind für die Fertigstellung vorgesehen. Schwab sagt deutlich: „Das ist ein Wunschdenken.“ Frost und Verzögerungen müsse man einkalkulieren.
Dazu hat man inzwischen Erfahrung mit den Vorgaben der italienischen Behörden und Ministerien – und weiß: alles zieht sich. Als im vergangenen Jahr endlich eine „Centerline“ gefunden wurde – so nennt man die grundsätzliche Ausrichtung der Bahn –, musste das Projekt erneut ausgeschrieben werden. „Man hat Monate um Monate verschenkt und jetzt wirklich Stress“, sagt Schwab. Nicht nur im deutschen Lager geht die Angst um, dass die Bahn tatsächlich nicht fertig wird – und ein Olympia-Aus droht. Gerüchte über eine Verlegung der Wettbewerbe nach Igls oder gar auf die 2026 hoffentlich reparierte Bahn am Königssee halten sich, aus Innsbruck (90 km Luftlinie entfernt) ist sogar ein Antrag beim IOC eingegangen. Rennen in einer Sportstätte, die nicht in den Bewerbungsunterlagen steht, sind jedoch unzulässig.
Schwab übt sich daher in Optimismus. Er glaubt daran, dass der Kanal, der einen ähnlichen Charakter haben wird wie die Bahn in Peking, fertig wird. Der Ex-Rodler sagt aber auch: „Es wird eng – und das Drumherum wird nicht schön aussehen.“ Das Augenmerk liegt, anders als in China, auf dem Sport – und der deutschen Mission, die nicht tödlich sein, sondern Gold glänzen soll. HANNA RAIF