München – Wenn man Jamal Musiala reden hört, fühlt man sich bei seinen Standard-Aussagen an den jungen David Alaba erinnert. Natürlich will der 19-Jährige immer „sein Bestes geben“ und stets „alles für den Teamerfolg geben“. Dass aber sogar auf dem Gebiet der Rhetorik beim jüngsten Star des FC Bayern in den vergangenen Monaten eine Entwicklung stattgefunden hat, zeigt sich pünktlich zur Wiederaufnahme der so langen WM-Saison. Denn über all diese selbstverständlichen Dinge hinaus ließ Musiala sich bei einem Sponsoren-Termin unter der Woche mit folgenden Worten zitieren: „Ich möchte für mich eine Menge Trophäen gewinnen, von anderen lernen und noch besser werden.“ Worte, die man auch in Bayern-Kreisen vor dem Auftakt gegen RB Leipzig am Freitag (20.30 Uhr) gerne hört.
Denn auch wenn Fußballer freilich nicht an ihren Aussagen gemessen werden, sondern die Wahrheit (Achtung: plump!) auf dem Platz liegt, dokumentieren Musialas jüngste Äußerungen die Rolle, die er sich spätestens im vergangenen Jahr im roten Trikot erarbeitet hat. Als „Deutschlands einzigen Weltklassespieler“ bezeichnet ihn Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, und auch die Bayern haben freilich längst bemerkt, dass sie da kein Juwel, sondern bereits einen Diamanten haben. Der Marktwert des jüngsten Spielers, der schon rund 50 Pflichtspiele für den Dauer-Meister bestritten hat, ist im Zuge der WM trotz des deutschen Misserfolgs auf über 100 Millionen Euro gestiegen. Und in München ist längst klar, dass das alte Gesetz „Müller spielt immer“ nicht mehr gilt, sondern sich die Aufstellung von Julian Nagelsmann längst um Musiala dreht.
„Thomas wird sich dem Konkurrenzkampf stellen“, sagte Vorstandsboss Oliver Kahn beim DFL-Neujahrsempfang. Allerdings wird der 33-Jährige eher nicht mehr als Zehner auflaufen, sondern sich weiter vorne um einen Platz bewerben müssen. Natürlich ist Müller nach wie vor wertvoll, „wenn er auf dem Platz ist, dann merkt man, dass er die anderen auch mitreißen möchte, dass er – und das ist auch ein ganz wichtiger Aspekt – immer gewinnen will“, sagte Kahn. Er ist aber sportlich nicht mehr so unantastbar, wie es Musiala nun ist. Der ist gesetzt.
Die Mitspieler wissen, warum. „Er beeindruckt mich wirklich enorm“, sagte Alphonso Davies – und führte bereitwillig aus: „Er ist so jung – und es ist einfach unglaublich, seine Motivation und seine Ambitionen zu sehen.“ Wenn er so weiterarbeite, sieht der Kanadier „keinen Grund, warum er nicht bald der Beste auf seiner Position sein sollte“. Oder einfach ganz simpel formuliert: „Der Himmel ist Musialas Grenze.“
Es ist schon viel, was da über Musiala erzählt wird. Aber das Gute ist, dass man dem jungen Burschen zutraut, mit all diesen Lorbeeren gut umzugehen. Denn neben den Werten auf dem Platz – 15 direkte Torbeteiligungen bis hierher sind ligaweit Bestwert, im Bayern-Kader führte er zudem die meisten Zweikämpfe – besticht er durch Bodenständigkeit und Weitsicht. Er weiß seine Rolle schon einzuordnen. Und er weiß genau, dass er nicht nur der wichtigste Baustein auf dem Weg zu den als Saisonziel ausgegebenen drei Titeln ist, sondern auch derjenige, um den die Mannschaft der Zukunft geformt werden soll.
Die Bayern bemühen sich längst um eine Vertragsverlängerung über 2026 hinaus, bessere Bezüge sind selbstverständlich Teil des Deals. Und sie hoffen schon jetzt, dass nur die Rhetorik an Alaba erinnert. Anders als der Österreicher, der inzwischen mit Real Madrid Titel gewinnt, soll Musiala am besten für immer bleiben. Als Himmelsstürmer – und Mr. FC Bayern. HANNA RAIF