Matchball gegen die Raketen

von Redaktion

HANDBALL-WM Hält der Höhenflug gegen Holland an, dann steht das DHB-Team im Viertelfinale

Kattowitz – Ein Derby wie im Fußball? Andreas Wolff muss schmunzeln. „Der Klassiker-Charakter ist nicht der gleiche“, sagte der deutsche Handball-Nationaltorhüter über das Duell mit den Niederlanden, schob jedoch mit einem schelmischen Grinsen hinterher: „Aber wir wollen unseren Nachbarn natürlich nach Hause schicken.“

Die Ausgangslage vor der brisanten Hauptrundenpartie ist klar: Ein Sieg gegen Oranje am Samstag (20.30 Uhr/ZDF) garantiert der Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason das WM-Viertelfinalticket. In diesem Fall wäre das Spiel gegen Norwegen am Montag (20.30 Uhr/ARD) ein besseres Trainingsspiel für die K.o.-Runde – und die niederländischen Chancen aufs Weiterkommen wären wohl dahin. „Jetzt“, bekräftigte Wolff, „kommen die richtig harten Spiele. Das wird kein Selbstläufer.“ An das greifbare Viertelfinale will er daher angesichts der Torgala gegen Argentinien noch keinen Gedanken verschwenden: „Wir könnten genauso gut sagen: Wir denken schon an den WM-Titel, weil den holen wir, wenn wir die nächsten fünf Spiele gewinnen. Wir sind gut beraten, von Spiel zu Spiel zu denken.“

Gegen die Niederlande erwartet Deutschland eine weitaus kniffligere Aufgabe als beim imponierenden 39:19 gegen die Südamerikaner. „Da kommen echte Rakete auf uns zu“, sagte ARD-Experte Dominik Klein unserer Zeitung. Klein, aber oho – so lautet das Motto im Nachbarland. „Vor fünf, sechs Jahren hat das angefangen. Der Kader wurde verjüngt und breiter aufgestellt“, erklärt Spielmacher Dani Baijens, einer von acht Deutschland-Legionären. Mit Unbekümmertheit und irrsinnigem Tempo rockt die Mannschaft von Nationaltrainer und Schweden-Legende Staffan Olsson bei der zweiten WM-Teilnahme nach 1961 bislang die WM. Die Siege gegen Argentinien und Katar, vor allem aber die hauchdünne Niederlage gegen den Turniermitfavoriten Norwegen haben Aufsehen erregt. Insbesondere weil Schlüsselspieler wie Baijens (1,82 m), der Magdeburger Kay Smits (1,85 m) und Star-Spielmacher Luc Steins (1,72 m) von Paris St. Germain alle für Handballverhältnisse recht klein gewachsen sind.

„Es wird ein sehr schnelles Spiel, auch wir wollen wieder Gas geben – und dann wird sich zeigen, wer dieses Wettrennen gewinnt“, sagte Spielmacher Juri Knorr und lobte den „sehr guten Speed“ und die „sehr gute Passqualität“ der Niederländer.

Der Handball im deutschen Nachbarland, wo die Frauen weitaus erfolgreicher sind als die Männer, entwickelt sich zunehmend. Verloren die Niederländer beim jüngsten Pflichtspiel gegen Deutschland im Rahmen der EM 2020 noch deutlich (23:34), rechnet sich das mit zahlreichen Bundesliga-Profis gespickte Team nun etwas aus.

„Holland gegen Deutschland ist immer ein Kampf. Wir brauchen keinen Spieler für die Partie zu motivieren. Wir haben viel Bock auf dieses besondere Spiel und ein gutes Gefühl“, sagte der Magdeburger Kay Smits. Und Steins fügte hinzu: „Wir werden alles geben – und dann sehen wir, was möglich ist.“

Die deutsche Mannschaft schickte mit ihrem furiosen Hauptrundenstart gegen Argentinien jedenfalls ein deutliches Signal an die Konkurrenz. Selbst der sonst eher zurückhaltende Gislason geriet nach dem Weltklasse-Auftritt ins Schwärmen. „Was mich freut, ist der wahnsinnige Mannschaftsgeist, den ich spüre. Das macht mich jünger und bereitet mir eine riesige Freude“, sagte der 63-Jährige nach dem vierten Sieg im vierten Spiel und ergänzte: „Ich hoffe, dass es genauso weitergeht. Dann werden wir irgendwann stolz nach Hause fahren.“

Sinnbildlich für die Gemütsverfassung des DHB-Coaches war eine Auszeit gegen Argentinien. „Spielt, was ihr wollt“, rief Gislason seinen Spielern zu. Das sorgte nicht nur bei den 5,01 Millionen Fernsehzuschauern für Staunen, sondern auch bei seinen Spielern. „So etwas kommt bei Alfred selten vor“, sagte Rune Dahmke: „Spätestens dann weißt du als Spieler, dass es ganz gut läuft in dem Spiel.“  sid

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