Frankfurt/Main – Dieses Déjà-vu hätte sich Rudi Völler gerne erspart. Schon wieder soll ausgerechnet er den Retter des schwer geplagten deutschen Fußballs geben? „Auf einmal haben mich alle angeguckt, ob ich es machen könnte. Ich habe erstmal gefragt: ‘Gibt’s denn keinen anderen?’“, sagte der neue Sportdirektor Nationalmannschaft mit breitem Grinsen bei seiner Vorstellung: „Ich war erstmal nicht so richtig überzeugt. Aber ich habe mich überzeugen lassen, dass es für diese Zeit eine gute Lösung ist.“
Der Weltmeister von 1990 soll beim Niedergang des DFB-Teams die Handbremse ziehen – und in den 18 Monaten bis zur Heim-EM die komplette Kehrtwende schaffen. „Ich bin überzeugt, dass wir eine Mannschaft haben, die in anderthalb Jahren um den Titel mitspielen kann“, betonte Völler energisch: „Wir dürfen uns nicht kleiner machen als wir sind. Wenn ich diesen Kader sehe, werden wir eine gute EM spielen.“
Er wolle mit seiner Erfahrung den nötigen „Input“ für ein Sommermärchen 2.0 liefern. Dafür muss er innerhalb von 500 Tagen unzählige Baustellen bearbeiten, wirklich ausgereift wirkten seine Pläne dabei noch nicht. Es gehe vor allem darum, dass sich die Mannschaft wieder „volksnäher“ präsentiere. „Wie das aussieht, wird man sehen“, so Völler lapidar: „Wir müssen die Zuschauer zurückgewinnen und das geht am einfachsten mit guter Leistung.“
Er sei „total optimistisch, dass wir mit diesen Spielern erfolgreich sein können“, erklärte Völler, der von seinem Wohnort Düsseldorf regelmäßig nach Frankfurt pendeln wird: „Was problematisch sein wird, ist, wie es in sechs, acht oder zehn Jahre sein wird. Die nächsten Jahre werden wir noch eine wunderbare Mannschaft haben, aber dann mache ich mir Sorgen.“ Doch darauf ist sein Engagement bis zur EM 2024 nicht ausgelegt. Vielmehr soll er den Schulterschluss zwischen Verband und Vereinen schaffen und das Stimmungstief beenden.
Er bilde sich nicht ein, „die ganzen Strukturen beim DFB ändern zu können. Da sind sicher Jüngere berufen“, so der im Jahr 2000 bereits in großer Fußballnot zum DFB-Teamchef Berufene. Mit Völler gebe es eine „absolute Fokussierung auf die EURO“, sagte Bernd Neuendorf. Wer neben dem 62-Jährigen die administrativen Aufgaben von Oliver Bierhoff übernimmt, blieb weiter offen. Bevor es konkret um Personen gehe, müsse in den Gremien erst ein klares Bild der „Struktur“ geschaffen werden, so der DFB-Präsident.
Auch für den nach dem WM-Debakel etwas angeschlagenen Hansi Flick soll Völler die nötige Wohlfühl-Atmosphäre schaffen, der Bundestrainer zeigt sich von seinem neuen Vorgesetzten schon mal begeistert. „Mein Trainerteam und ich freuen uns auf den gemeinsamen Weg zur Heim-EM im nächsten Jahr“, sagte der 57-Jährige. Völler sei eine „feste Größe im deutschen Fußball“ und mit seiner Erfahrung „die richtige Besetzung für die kommenden Aufgaben“.
Völler betonte, sich nicht in Flicks Aufgabenbereich einmischen zu wollen. Für seine Rettermission lässt der Weltmeister von 1990 seine Tätigkeiten als Botschafter und im Gesellschafterausschuss von Bayer Leverkusen vorerst ruhen.
Völler sei „jemand, der bei allen Menschen gut ankommt und positiv behaftet ist“, schwärmte 96er-Europameister Stefan Kuntz bei ran. „Es gibt nichts Besseres für den deutschen Fußball, als ihn für diese Position zu gewinnen“, ergänzte Stefan Effenberg in seiner Kolumne bei t-online.
Das muss Retter Rudi nun beweisen – abgerechnet wird im Sommer 2024. sid