Zoff nach Murrays Marathonmatch

von Redaktion

AUSTRALIAN OPEN  Brite kritisiert Ansetzung – Turnierchef verteidigt sich

Melbourne – Acht Stunden nach dem spektakulären Ende einer dramatischen Nachtschicht stapfte Andy Murray mit einem Lächeln auf den Lippen schon wieder in den Melbourne Park. Immer wieder nahm der Marathon-Mann mit der künstlichen Hüfte nach seinem sensationellen Sieg Glückwünsche entgegen. Auch Boris Becker gratulierte dem „schottischen Braveheart“ zu einem „sagenhaften“ Auftritt.

Erst um 4:06 Uhr Ortszeit hatte Murray (35) nach unglaublichen 5:45 Stunden Spielzeit in der zweiten Runde die Arme in die Luft gerissen. „Ich will schlafen“, meinte Murray danach und kritisiert die späten Ansetzungen der Nightsessions als „Farce“. Becker sprach bei Eurosport sogar von „Wettbewerbsverzerrung“. Turnierchef Craig Tiley verteidigte den Spielplan. „Wenn man abends nur ein Match ansetzt und es eine Verletzung gibt, hat man nichts für die Fans oder Sender“, sagte Tiley dem australischen Nachrichtenportal „9News“: „Zu diesem Zeitpunkt besteht keine Notwendigkeit, den Zeitplan zu ändern.“

Auch bitter: Murray durfte nicht auf die Toilette, obwohl er musste. „Es ist 3 Uhr morgens. Ich habe den ganzen Tag getrunken. Ich muss auf die Toilette. Es ist frustrierend“, sagte der Brite und forderte „ein bisschen Spielraum“. Stuhl-Schiedsrichterin Eva Asderaki-Moore (40) blieb gemäß den Regeln hart. Die besagt, dass man nur nach einem Satz austreten darf.

So oder so: „Sir Andy“ ist einfach nicht kleinzukriegen und mit seinem unbändigen Kampf, seiner Liebe für das Spiel ein riesiges Vorbild. „Oh what a knight“, titelte die Daily Mail. Und auch Novak Djokovic (35) empfand den grandiosen Auftritt des britischen Ritters, seines Konkurrenten im Tableau als „wirklich inspirierend“. Der Serbe, mit 21 Grand-Slam-Titeln noch prägender als Murray für die Tennis-Szene der vergangenen Jahrzehnte, braucht dieser Tage in Melbourne ebenfalls ein großes Kämpferherz. Den Ausnahmeathlet aus Belgrad plagen hartnäckige Oberschenkelprobleme. Aufgeben ist aber keine Option, er will Geschichte schreiben und mit dem verletzt ausgeschiedenen Grand-Slam-Rekordchampion Rafael Nadal gleichziehen.

„Das Gute an den Grand Slams ist, dass es einen Tag Pause gibt zwischen den Spielen“, sagte Djokovic, der nach seinem Viersatz-Erfolg gegen den Franzosen Enzo Couacaud nun den Bulgaren Grigor Dimitrow am Samstag vor der Brust hat (9 Uhr MEZ/Eurosport). Wenn er denn einsatzfähig ist. „Ich schaue von Tag zu Tag“, sagte der frühere Weltranglistenerste: „Letztendlich hängt es vom lieben Gott ab.“

Auch Murray, der fünfmalige Melbourne-Finalist, verfolgt weiter den Traum vom Titelgewinn am Yarra-Fluss und zeigte gegen den Lokalhelden Thanasi Kokkinakis eindrucksvoll, wie sehr er den Erfolg will. 2019 hatte der Brite in Australien bereits sein baldiges Karriereende aufgrund seiner schweren Hüftprobleme angekündigt. Nun rannte und rutschte er über den Hartplatz, bis er Kokkinakis 4:6, 6:7 (4:7), 7:6 (7:5), 6:3, 7:5 niedergekämpft hatte. Es war das zweitlängste Match der Australian Open seit Einführung des Profitennis 1968. Die einzig längere Partie in der Historie ist das Finale zwischen Djokovic und Nadal aus dem Jahr 2012, das noch acht Minuten länger dauerte.

Murray genoss die aufreibende Partie gegen Kokkinakis, auch wenn er fluchte und mürrisch dreinschaute. „Dann bin ich innerlich am glücklichsten“, sagte der dreimalige Grand-Slam-Champion. Nun trifft Murray auf den Spanier Roberto Bautista Agut.  sid

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