„Gute Freundschaften halten das aus“

von Redaktion

INTERVIEW Neu-Österreicher Hackl über seinen Wechsel, die Rodel-WM und deutschen Verband

München – Am Donnerstag beginnt die Rodel-WM in Oberhof. Georg Hackl (56) drückt erstmals seit knapp 25 Jahren nicht den Deutschen die Daumen. Erst ist vor der Saison ins österreichische Lager gewechselt.

Herr Hackl, gehen Sie mit einem komischen Gefühl in diese WM?

Nein. Ich habe die Aufgabe in Österreich ja bewusst angenommen, bin jetzt mittendrin, habe mich im Team gut eingelebt – und mich mit der Situation sehr gut arrangiert.

Der deutsche Sportdirektor Thomas Schwab glaubt, man müsse kleinere Brötchen backen. Ist die Weltspitze seit den Olympischen Spielen enger zusammengerückt?

Das schon. Aber Oberhof ist die Heimbahn der Deutschen – auch der Jüngeren, die jetzt ins Team reinrutschen. Die deutsche Mannschaft ist auf einem sehr guten Stand und wird dominieren. So viel kann ich schon vorhersagen.

In Deutschland will man eine Medaille pro Disziplin – was wäre für Österreich ein Erfolg?

Eine Medaille pro Disziplin wäre zu hoch gegriffen. Eine oder zwei insgesamt wären ein Riesenerfolg für uns.

Was können Sie dem Verband Neues geben?

Vieles! Ich habe mittlerweile schon sehr viel eingebracht, Arbeitstechniken am Schlitten, Verbesserungspotenzial an den Geräten. Es ist aber ein längerer Prozess in den nächsten Jahren, um alles umsetzen zu können. Auch in der Fahrtechnik kann ich Impulse geben.

Bob-Bundestrainer Rene Spies sagt, an Ihnen sehe man, dass Deutschland Toptrainer verliert, wenn nicht genug Geld in die Hand genommen wird.

Es lag jetzt nicht alleine am Geld, diese Reduzierung finde ich immer unpassend. Ich wurde auch nach meiner Zeit bei der Bundeswehr vom BSD gut entlohnt, bei anderen Trainergehältern kann ich nicht mitreden. Geld ist immer etwas Schönes, aber mich hat eher die Fülle der positiven Dinge zu dem Wechsel bewogen. Dieser positive Geist im österreichischen Team hat eine große Rolle gespielt.

War der deutsche Geist nicht positiv?

Das haben Sie jetzt gesagt!

Anders gefragt: Muss man sich verändern, um nicht im alten Trott zu bleiben?

Das finde ich schon, im Sport wie im Leben. Es war in den letzten 16 Jahren eine ganz tolle Zeit, von den Erfolgen, vom Teamgeist in der bayerischen Mannschaft. Aber im Leben bleibt halt nicht alles so, wie es ist.

In Österreich arbeitet der Verband für den Schlittenbau mit Hightech-Firmen zusammen. Ist man da einen Schritt weiter?

Fertigungstechnisch habe ich in Deutschland den Großteil der Schlittenbau-Komponenten selbst hergestellt, im Sommer in der Werkstatt. Das habe ich alles mit meinen handwerklichen Kompetenzen realisiert. Der österreichische Verband hingegen hat Partner in der freien Wirtschaft, die diese Bauteile nach „State of the Art“ fertigen. Das sind kurze Wege. Gerade heute Morgen habe ich neue Kufen bei einer Firma abgeholt. Man ruft dort an – und eine Woche später hat man die neuen Teile. Das bringt mir Freiräume für andere Dinge.

Sie haben beim Wechsel gesagt: „Man lässt viele Freundschaften zurück.“ Wie hat sich das im Laufe der Saison entwickelt?

Gute Freundschaften halten das aus. Heute weiß ich, dass die allermeisten gehalten haben.

Sie wünschen den Deutschen also keinen Misserfolg?

Auf keinen Fall! So weit kommt es nicht! Wir sind ja eine große Rodel-Familie, in dieser kleinen Sportart halten wir zusammen. Da wäre es wirklich dumm, sich gegenseitig etwas Schlechtes zu wünschen.

Von Felix Loch wurde zuletzt der Satz „bis jetzt vermisst niemand den Hackl, Schorsch“ zitiert. Tun Ihnen Worte wie diese weh?

Ja mei… wenn man weiß, was wir in den letzten 15 Jahren alles zusammen erlebt und erreicht haben, ist das schon eine unglückliche Formulierung. Aber der Felix muss selber wissen, was er da sagt. Ich habe die Worte eher so verstanden, als wolle er den jetzigen Chef-Techniker Christian Thurner loben. Der ist ein sehr guter Freund von mir, da hat Felix also recht.

Thurner sagt, er habe ein gutes Verhältnis zu Ihnen. Ein Kaffee-Treffen schließt er nicht aus.

Tatsächlich haben wir uns zuletzt bei der Rückreise aus Lettland im Hotel getroffen und abends ein paar Biere getrunken. Da ist alles wunderbar. Ich muss ihn wirklich ausdrücklich loben. Obwohl er nicht aus der Sportart kommt, bringt er eine hohe berufliche Expertise ein. Er hat sich zu einem Techniker für Rennschlitten gemausert.

Tut den Deutschen die Veränderung vielleicht auch gut?

Ich hoffe es. Ich hoffe, dass sich einige Dinge anders formieren als zu meiner Zeit. Aber ich mache mir mit Blick auf Christian Thurner gar keine Sorgen. Er kann meine Fußstapfen jetzt schon absolut ausfüllen. Und deshalb bin ich auch sehr stolz darauf, dass ich da, wo ich weg bin, kein Loch hinterlassen habe. Sondern dass Leute, die ich ausgebildet habe, das Zepter in die Hand nehmen.

Wie entscheidend wird das Material in Oberhof?

Material ist immer eine sehr, sehr wichtige Komponente. Aber am Ende zählt am Wettkampftag die Performance des Fahrers. Vor allen Dingen die robuste Psyche, die wichtig ist, um 100 Prozent geben zu können.

Interview: Hanna Raif

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