Früher war die Rechnung einfach: Wenn eine Weltmeisterschaft, eine Europameisterschaft oder Olympia anstand, war eine Medaille für die deutschen Hockey-Herren fest reserviert. Oft thronten die „Honamas“ sogar ganz oben. Doch zuletzt bröckelte die Dominanz, bei Olympia in Tokio verlor man das Bronze-Match, bei den vergangenen zwei WMs schied man im Viertelfinale aus.
Dass die Mannschaft am Sonntag nun wieder einmal nach WM-Gold greift, hat also durchaus eine enorme Bedeutung für die Reputation des deutschen Hockeys. Auch im Vergleich mit den anderen Ballsportarten Handball, Basketball und Volleyball. Zumal die Chance am Freitagmittag im indischen Bhubaneswar schon ganz weit entfernt schien. Wie schon gegen England im Viertelfinale lag die Truppe von Trainer André Henning im Duell mit Vize-Olympiasieger Australien mit 0:2 im Hintertreffen. Dass man sechs Sekunden vor Schluss plötzlich mit 4:3 führte, war auch dem Kampfgeist zu verdanken, der an das große Olympiasieger-Team 2012 um die Münchner Zeller-Brüder und Torwart Weinhold erinnert. Zur Erinnerung: Das waren diejenigen, die mit ihrer Goldparty in London das Kreuzfahrtschiff MS Deutschland auseinandernahmen.
Die damaligen Helden haben fast alle aufgehört, zuletzt Tobias Hauke. Und doch sorgt ein Olympiasieger auf dem Platz für das besondere Etwas. Gonzalo Peillat, Champion 2016 mit Argentinien, gehört seit Anfang vergangenen Jahres zum deutschen Ensemble. Vorangegangen war ein Streit mit seinem Heimatverband und sein neuer Lebensmittelpunkt in Mannheim. Der Hockey-Messi gilt als bester Strafeckenschütze der Welt – am Freitag traf er dreimal und legt das vierte Tor auf.
Er ist ein Geschenk, das André Henning, gerne annahm. Aber auch sonst hat der Bundestrainer, seit knapp einem Jahr im Amt, eine Menge bewegt und frische Euphorie entfacht. Der 39-Jährige wurde bereits mit Jürgen Klopp (wegen der Emotionalität) und Julian Nagelsmann (wegen der Innovativität) verglichen. Seine Mission ist die Rückkehr in die Weltspitze. Bisher hat das ganz gut geklappt. Die Hockey-Herren sind in diesen Tagen also die besseren Handballer.
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